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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 11
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Semper, Hans: Charakteristik des "Rubensstiles" (des belgischen Barocks) in der dekorativen Skulptur
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0106

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trotz aller Unterdrückung unversiegbaren flämischen Bolks-
kraft. Wenn, es sich nun auch schwerlich beweisen läßt,
daß Rubens den Barockstil in der belgischen Decoratiou,
welcher ihm zu Ehren von den belgischen Schriftstellern

130. Gartendurchgang des Rubenshauses in Antwerpen.
Nach einem Stich von 168-1-

häufig schlechtweg der Rubensstil genannt wird, wirk
lich auch ganz allein geschaffen und seinen Zeitgenossen
gewissermaaßen eingeimpft oder auferlegt habe, so ist es
doch zweifellos, daß er an dessen Entstehen und Aus-
bildung wesentlichen und schöpferischen Antheil genommen
habe, weshalb die Bezeichnung des Stiles mit seinem
Namen als Schlagwort ihre Berechtigung hat. Auch
fällt die völlige Ausgestaltung desselben, von dem ja
manche wesentliche Bestandtheile schon in den vorerwähnten
Uebergangswerken, sowie zum Theil bei der classischen
Borstufe des Rubensstiles Vorkommen, in der That genau
mit der Zeit zusammen, da Rubens nach seiner Rückkehr
aus Italien im Jahre H608 thätig in das Aunstleben
seines Landes nicht bloß als Maler, sondern auch als
Architect und Dccorateur eingriff.

Lein Merk über genuesische Paläste, das er zusammen
mit Deodato del Monte kurz vor seiner Rückkehr vor-

bereitet hatte, erschien zwar erst {622, zu einer Zeit, als
(wie Rubens selbst in seiner Borrede rühnrend erwähnt)
bereits die Iefuitenkirchen von Brüssel und Antwerpen
im neuen Stil „gemäß den Vorschriften der alten Griechen
und Römer" erbaut waren. Allein die Farads der
letztgenannten Airche, welche in der That schon den a u s -

gebildeten belgischen Barockstil in schöner, maß-
voller Behandlung zeigt, soll') ebenfalls nach Entwürfen
oder doch Angaben des Rubens ausgeführt worden sein,
während die strenger classisch gehaltene Innenanlage mit
zwei Ordnungen, 36 dorischen und ionischen Säulen den
Antheil des Iefuitenpaters d'Aquillon ani Bau darstellen
würdet) Die Wahrscheinlichkeit dieses Sachverhaltes wird
allerdings dadurch verstärkt, daß Rubens mit Pater
d'Aqnillon befreundet war und daß er auch die Decke der
Airche mit dreißig großen Gemälden schmückte, die leider
(7(8 durch eine Feuersbrunst vernichtet wurden.^) Ferner
soll Rubensch den Entwurf für die Borhalle der St. Mi-
chaelskirche in Antwerpen, welche nach einem Brande (620
wieder aufgebaut wurde, geliefert haben.

Jedenfalls wissen wir, daß (62fi- das Scheid ethor
in Antwerpen (Fig. (29), das in seiner kunstvollen
Rustica an die Thore Galeazzo Alessi's in Genua er-
innert, nach Rubens' Entwürfen gebaut wurde, während
die schon in ächtem belgischem Barock stilisirte Wappen-
cartouche darüber nach seinen Angaben von Arnold
(Huellinus d. a. ausgeführt wurde. Ebenso sind die
Triumphbögen und Decorationen, welche Rubens gelegent-
lich des Einzuges des Erzherzogs Ferdinand in Antwerpen
in: Jahre (653 entwarf, ferner der (6fl( herausgegebene
Triumphwagen zur Feier des Sieges von Tallao (t. 638),
endlich sein paus in Antwerpen, mit der poffagade, dem
Durchgang zum Garten und dem Gartenpavillon, im
ausgeprägtesten belgischen Barock gehalten und lassen
Rubens als einen schöpferischen Pauptvertreter dieser
Stilrichtung erscheinen. (Figur (30.) Auch ist es er-
wiesen, daß einige der hervorragendsten Bildhauer, die
derselben huldigten, unter dem Einfluß des Rubens
standen und wichtige Werke der Decorationssculptur nach
seinen Angaben ausführten. Dies gilt nicht bloß von dem
oben erwähnten Arnold ^uellinus dem Alten, sowie von
Jan van AN Id er, sondern in noch höherein Grade von
Lucas Faidherbe von Mecheln, der in der That des
Rubens Schüler war und für ihn unter anderm in der
Iefuitenkirche zu Antwerpen bildhauerische Arbeiten aus-
führte. Auch Francois Duquesnoy von Brüssel stand in
freundschaftlichem Verkehr mit Rubens, der dessen Werke
hoch schätzte.

Wenn es also unzweifelhaft ist, daß Rubens auch
auf den decorativen Stil seiner Zeit einen bedeutenden
Einfluß ausübte und besonders jene üppige, kraftvolle

9 Nach Schoy, Histoire de l’influence italienne sur l'architecture
des Pays-Bas. Memoires couronnes de l’Academie royale. Bruxelles.
V. XXXIX p. 337.

2) Demselben wird zwar von der Tradition der ganze Ban zu-
geschrieben (Acta sanctorum des Bollandisten kserschenius Vol. I. 2q),
was aber wegen der Stilverschiedenheiten zwischen ffaqade und Innen-
bau nicht wahrscheinlich ist. Dieselben Stilunterschiede weisen nach
Schoy darauf hin, daß die Marienkaxelle, sowie die Decorationen des
Thors und Hochaltars dem Rubens, der Thurm dem Pater d'Aquillon
zuzuschreiben seien.

3) 1736 wurden diese Gemälde vom Holländer Jacob de Mt
in 36 Aupfertafeln herausgegeben, welche er nach Ausnahmen, die er
im Jahre 17U gemacht hatte, durch I. Pu nt in Amsterdam stechen
ließ. Die Ausgabe führt den Titel: »Les plafonds ou les galeries de
l’eglise des R. R P. Jesuites ä Anvers etc.« Tine Vriginalzeichnung
eines Plafondbildes befindet sich in der Albertina. (Nach Schoy.)

*) Ebenfalls nach Schoy, Mem. cour. Vol. XXXIX p. 331.

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