Formengebung und malerische Wirkung im belgischen
Barock, entsprechend seinem künstlerischen Naturell, wie es
sich besonders auch in seinen Triumphbögen ausspricht,
wesentlich förderte, so treten andererseits doch auch schon
sehr frühe andere Künstler neben ihm hervor, welche
ebenfalls eine verwandte Richtung einfchlagen, wenn ihre
Formen anfangs auch noch trockener, willkürlicher, weniger
abgeklärt erscheinen, als wie sie der ausgereifte „Rubens-
stil" in der Decoration zeigt.
Unter diesen Künstlern ist in erster Linie der Architect
Jacques Francquart zu nennen, der die oben er-
wähnte Iesuitenkirche von Brüssel bereits s6j6 erbaute,
welche nach den erhaltenen Ab-
bildungen bereits im Barockstil
gehalten ist, wenn auch noch in
steilaufstrebenden Verhältnissen. *)
3m folgenden Jahre erschien
auch zu Brüssel dessen »kremier
libre cl'arcbitecture, contenant
diverses inventions de portes
etc.«, welches trotz der bunten
Willkür, womit darin italienische
Spätrenaissance - Motive, ohne
viel Rücksicht auf architectonische
Logik, rein decorativ zusammen-
gestellt und umgestaltet sind, und
trotz einer gewissen Härte und
Magerkeit der Formen doch be-
reits eine Menge von Einzel-
motiven, die für den Rubensstil
charakteristisch sind, enthält.-)
Besonders sind die Tartouchen
schon ganz im neuen Stil ge-
halten, in lederartigen, ja mol-
luskenhaft weichen, unbestimmten
Formen gerollt, gedreht, ge-
bauscht, gefaltet. Der Beschläg-
und Laubsägestil, die kantigen
Tartoucherollen sind hier end-
gültig verlassen (Fig. (3 s u. (32).
Ebenso dürsten die Architecten
Wenzel Toeberger, P. hesius und
Andere auf die Ausbildung des
belgischen Barockstils eingewirkt
haben, den wir ja auch an ge-
wissen Uebergangswerken der holzsculptur sich schon vor-
bereiten sahen.
Suchen wir nun, in möglichster Kürze, den sogenannten
Rubensstil in der Decoration und Architectur zunächst in
seinem Gesammtcharakter, dann in seinen Einzelmotiven
zu charakterisiren.
Dieser Stil stellt im Wesentlichen eine eigenartige,
in sich harmonische und selbständige Verschmelzung und
Ummodelung italienischer Spätrenaissance-Formen dar, in
welcher zugleich das selbstbewußte Machtgefühl der Kirche
(ähnlich wie in andern Ländern) und des Glanz liebenden
Hofes und Adels von Belgien, zugleich aber auch das
kraftvolle Formengefühl, die schwungvolle Phantasie und
') Abbildung bei Gurlitt. Geschichte des Barockstils II, t S. 9.
2) Vergl. Gurlitt a. a. <V. II, Fig. 3. S. (3.
\33. Marnwrpfeiler (vom Anfang
des 1(7. Iahrh.) am Aamin des
Trauungssaales im Rathhaus zu
Antwerpen. (Erbaut X 56 J(.—J565
von Tornel de vriendt, gen. Floris.)
das malerische Empfinden des flandrisch - wallonischen
Volkes, dessen typischer Vertreter Rubens war, zum clas-
sischen Ausdruck gelangte. 3'™ Gegensatz zu der oft an
trockner Strenge oder ungeordneter, hohler Neberladung
leidenden italienischen Barockarchitectur ist das belgische
Barock, bei allem malerischen Wechsel und bei kühnen
und großartigen Formen und Massenwirkungen, doch
meist klar geordnet und wohl motivirt. Die glückliche
Unterordnung der Nebenglieder und -Formen unter die
Hauptordnungen, die gelungene Vertheilung der Sculpturen,
welche die wuchtigen, architectonifchen Massen begleiten
und unterbrechen, gestatten einen reichen Wechsel der Mo-
tive ohne Verwirrung. Auch die Ornamentik, die schönen
Akanthusranken, die weichgeformten Tartouschen, Nischen rc.
sind wohl vertheilt und in einer, der Architectur ent-
sprechenden Kraft und Fülle behandelt und erhöhen wesent-
lich die malerisch-farbige und
festliche Wirkung. Als claffi-
sches Beispiel dieser Architectur
sei die Faqade der 3^suiten-
kirche von Antwerpen genannt,
welche sich so vortheilhaft von
den meisten Barocksa^aden
3taliens auszeichnet.
Um nun auf's Einzelne
überzugehen *), wollen wir zu-
nächst die Formenbehandlung
der verschiedenen Arten von
Stützen in diesem Stile be-
trachten. Was zunächst die
Säulen betrifft, so werden
alle römischen Ordnungen in
ziemlicher Reinheit, in kraft-
voller Ausbildung angewen-
det; an den ionischen Säulen
ist die Behandlung der Eapitäle
charakteristisch, welche meist,
nach dem Vorbild der Säulen
am Konservatorenpalast zu
Rom, mit Festons zwischen
den Voluten versehen werden.
Die Schäfte sind bald glatt, bald cannelirt, häufig rusticirt
oder doch von vortretenden hjuerbändern durchzogen. 3n
der holzdecoration werden besonders die gewundenen, mit
Reliefguirlanden oder naturalistischem Laubwerk umzogenen
Säulen gern angewendet, die wir schon am Grgelgehäuse
von herzogenbusch antrafen.
Die Pilaster sind meist gerahmt. Statt derselben
finden häufig consolenartige, unten in Voluten mehr oder
weniger ausladende, oben ebenfalls in Voluten oder in
Engeln, Auroren, Sirenen endende Glieder Verwendung,
die nicht selten auch nur als einrahmende Zierde, ohne
Function, zu beiden Seiten eines Aufsatzes, einer Aedicula
rc. angefügt sind. (Fig. (3H und (55.) Ebenfalls als
stützendes und zugleich füllendes Glied spielt die Volute
in den Winkeln zwischen einem breiteren Unterbau und
einem zurücktretenden Obergeschoß, besonders an Kirchen- *)
*) Zahlreiche Belege für die folgenden Ausführungen finden sich
in dem Prachtwerk von vscndyck sowie unter den Aufnahmen der
Antwerpencr Photographen Forst und Ackermann.
p. p. Rubens (1(638).
Barock, entsprechend seinem künstlerischen Naturell, wie es
sich besonders auch in seinen Triumphbögen ausspricht,
wesentlich förderte, so treten andererseits doch auch schon
sehr frühe andere Künstler neben ihm hervor, welche
ebenfalls eine verwandte Richtung einfchlagen, wenn ihre
Formen anfangs auch noch trockener, willkürlicher, weniger
abgeklärt erscheinen, als wie sie der ausgereifte „Rubens-
stil" in der Decoration zeigt.
Unter diesen Künstlern ist in erster Linie der Architect
Jacques Francquart zu nennen, der die oben er-
wähnte Iesuitenkirche von Brüssel bereits s6j6 erbaute,
welche nach den erhaltenen Ab-
bildungen bereits im Barockstil
gehalten ist, wenn auch noch in
steilaufstrebenden Verhältnissen. *)
3m folgenden Jahre erschien
auch zu Brüssel dessen »kremier
libre cl'arcbitecture, contenant
diverses inventions de portes
etc.«, welches trotz der bunten
Willkür, womit darin italienische
Spätrenaissance - Motive, ohne
viel Rücksicht auf architectonische
Logik, rein decorativ zusammen-
gestellt und umgestaltet sind, und
trotz einer gewissen Härte und
Magerkeit der Formen doch be-
reits eine Menge von Einzel-
motiven, die für den Rubensstil
charakteristisch sind, enthält.-)
Besonders sind die Tartouchen
schon ganz im neuen Stil ge-
halten, in lederartigen, ja mol-
luskenhaft weichen, unbestimmten
Formen gerollt, gedreht, ge-
bauscht, gefaltet. Der Beschläg-
und Laubsägestil, die kantigen
Tartoucherollen sind hier end-
gültig verlassen (Fig. (3 s u. (32).
Ebenso dürsten die Architecten
Wenzel Toeberger, P. hesius und
Andere auf die Ausbildung des
belgischen Barockstils eingewirkt
haben, den wir ja auch an ge-
wissen Uebergangswerken der holzsculptur sich schon vor-
bereiten sahen.
Suchen wir nun, in möglichster Kürze, den sogenannten
Rubensstil in der Decoration und Architectur zunächst in
seinem Gesammtcharakter, dann in seinen Einzelmotiven
zu charakterisiren.
Dieser Stil stellt im Wesentlichen eine eigenartige,
in sich harmonische und selbständige Verschmelzung und
Ummodelung italienischer Spätrenaissance-Formen dar, in
welcher zugleich das selbstbewußte Machtgefühl der Kirche
(ähnlich wie in andern Ländern) und des Glanz liebenden
Hofes und Adels von Belgien, zugleich aber auch das
kraftvolle Formengefühl, die schwungvolle Phantasie und
') Abbildung bei Gurlitt. Geschichte des Barockstils II, t S. 9.
2) Vergl. Gurlitt a. a. <V. II, Fig. 3. S. (3.
\33. Marnwrpfeiler (vom Anfang
des 1(7. Iahrh.) am Aamin des
Trauungssaales im Rathhaus zu
Antwerpen. (Erbaut X 56 J(.—J565
von Tornel de vriendt, gen. Floris.)
das malerische Empfinden des flandrisch - wallonischen
Volkes, dessen typischer Vertreter Rubens war, zum clas-
sischen Ausdruck gelangte. 3'™ Gegensatz zu der oft an
trockner Strenge oder ungeordneter, hohler Neberladung
leidenden italienischen Barockarchitectur ist das belgische
Barock, bei allem malerischen Wechsel und bei kühnen
und großartigen Formen und Massenwirkungen, doch
meist klar geordnet und wohl motivirt. Die glückliche
Unterordnung der Nebenglieder und -Formen unter die
Hauptordnungen, die gelungene Vertheilung der Sculpturen,
welche die wuchtigen, architectonifchen Massen begleiten
und unterbrechen, gestatten einen reichen Wechsel der Mo-
tive ohne Verwirrung. Auch die Ornamentik, die schönen
Akanthusranken, die weichgeformten Tartouschen, Nischen rc.
sind wohl vertheilt und in einer, der Architectur ent-
sprechenden Kraft und Fülle behandelt und erhöhen wesent-
lich die malerisch-farbige und
festliche Wirkung. Als claffi-
sches Beispiel dieser Architectur
sei die Faqade der 3^suiten-
kirche von Antwerpen genannt,
welche sich so vortheilhaft von
den meisten Barocksa^aden
3taliens auszeichnet.
Um nun auf's Einzelne
überzugehen *), wollen wir zu-
nächst die Formenbehandlung
der verschiedenen Arten von
Stützen in diesem Stile be-
trachten. Was zunächst die
Säulen betrifft, so werden
alle römischen Ordnungen in
ziemlicher Reinheit, in kraft-
voller Ausbildung angewen-
det; an den ionischen Säulen
ist die Behandlung der Eapitäle
charakteristisch, welche meist,
nach dem Vorbild der Säulen
am Konservatorenpalast zu
Rom, mit Festons zwischen
den Voluten versehen werden.
Die Schäfte sind bald glatt, bald cannelirt, häufig rusticirt
oder doch von vortretenden hjuerbändern durchzogen. 3n
der holzdecoration werden besonders die gewundenen, mit
Reliefguirlanden oder naturalistischem Laubwerk umzogenen
Säulen gern angewendet, die wir schon am Grgelgehäuse
von herzogenbusch antrafen.
Die Pilaster sind meist gerahmt. Statt derselben
finden häufig consolenartige, unten in Voluten mehr oder
weniger ausladende, oben ebenfalls in Voluten oder in
Engeln, Auroren, Sirenen endende Glieder Verwendung,
die nicht selten auch nur als einrahmende Zierde, ohne
Function, zu beiden Seiten eines Aufsatzes, einer Aedicula
rc. angefügt sind. (Fig. (3H und (55.) Ebenfalls als
stützendes und zugleich füllendes Glied spielt die Volute
in den Winkeln zwischen einem breiteren Unterbau und
einem zurücktretenden Obergeschoß, besonders an Kirchen- *)
*) Zahlreiche Belege für die folgenden Ausführungen finden sich
in dem Prachtwerk von vscndyck sowie unter den Aufnahmen der
Antwerpencr Photographen Forst und Ackermann.
p. p. Rubens (1(638).