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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 12
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Semper, Hans: Die kirchliche Holzdekoration Belgiens im Rubensstil und in seinen Ausläufern
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0116

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Unter den Bänken für Airehenbehörden ragen die-
jenigen in Den der man de hervor, deren Rückvertäflungen
in schön umrahmten Feldern treffliche Reliefs, angeblich
von Francois Duquesnoy zeigen. An denselben sind
die in Ankanthusblättern auslaufenden Voluten für den Stil
charakteristisch, doch scheint uns die faserige Behandlung
der Blätter auf die Spätjett des Stils hinzuweisen, wonach
diese Arbeit nicht von Duquesnoy wäre.

II. Kanzeln.

Zu den frühesten Aanzeln im belgischen Barockstil,
wenigstens unter den erhaltenen, dürfte diejenige gehören,

>4y. Kamel tu der Kirche St. Jacques tu Antwerpen von
L. w. Willemsens.

welche (Erasmus Auellinus von Antwerpen (der vor
z6^0 starb) für die ehemalige, jetzt der HI. Walpurgis
geweihte, Jesuitenkirche in Brügge herstellte.')

Dieselbe ist von der knieenden Figur des Glaubens
gestützt, während Tartouchen mit den Büsten der
Evangelisten in Relief die Breitflächen, Engel die
schmalen Eckflächen der Aanzelbrüstung schmücken. — Die
Treppenpfosten sind mit den als Hermen behandelten
Figuren der Anbetung, der Beredtsamkeit und
Meditation geschmückt; die Geländer der Doppeltreppe
zeigen in durchbrochener Arbeit schöne Akanthusranken
mit Emblemen der Elemente. — Wir erkennen an dieser
Aanzel den schon in allen wesentlichen Elementen aus-
gebildeten Typus der belgischen Barockkanzel, wie sie bis

Marchal: Mem. cour. Vol. XLI, p. .61.

in's 18. Jahrhundert hinein fortdauerte und an deren
Herstellung eine Reihe der hervorragendsten Bildhauer,
zumal Antwerpens, betheiligt waren. Während der Dauer
des f7. Jahrhunderts gehören auch die Aanzeln zu den-
jenigen Schöpfungen der cholzfculptur Belgiens, an welchen
der Rubensftil zu reichstem Ausdruck gelangt, fei es
hinsichtlich der wichtigen und selbständigen Rolle, welche
bei deren Ausstattung die menschliche Figur spielt, sei
es hinsichtlich der einzelnen ornamentalen Motive.
Erasmus Auellinus, der Vater des berühmten Artus
Auellinus des Alten, arbeitete häufig mit Jan von
Milder von Antwerpen') zusammen, und beide Letzteren
standen wesentlich unter dem Einfluß des Rubens.

Der genannten Aanzel von Brügge verwandt, aber
noch reicher ausgestattet, ist diejenige in der Liebfrauen-
kirche zu Den der monde, welche von Gerome
Duquesnoy, dem talentirten Bruder und Schüler des
berühmten Frangois Duquesnoy, hergestellt wurde2),
der, wie ebenfalls schon bemerkt wurde (S. stqh, intim
befreundet mit Rubens war. Diese Aanzel des Geröme
Duquesnoy ist von 3 Engeln getragen. Die achtseitige
Brüstung der Aanzel verzieren an den Breitseiten wieder
Tartouchen mit den Evangelistenköpfen in Vorder-
ansicht, welche von schönen nackten Engeln gehalten werden;
die abgefaßten Ecken oder Schmalseiten der Brüstung find
von Voluten ausgefüllt. Die wohlabgemessene Vertheilung
von zarten und kräftigen Formen, sowie die dadurch er-
höhte plastische Wirkung sind an dieser Aanzel bewunderns-
werth. Zwischen Aanzelbrüstung und Schalldeckel stehen zwei
große Engel mit Fackeln, welche zugleich als Stützen
des Letzteren dienen. Der Schalldeckel ist schön und ziemlich
classisch profilirt und mit Aufsätzen von Tartouchen ver-
ziert, die von Schnörkeln umrahmt sind und mit ähnlich
eingefaßten Urnen wechseln. Außerdem streben über dem
Schalldeckel vier geschweifte, mit Akanthusranken-Drnamentik
verzierte Voluten empor, gleichsam als Bügel einer
Arone, und stoßen an der Eisenstange oben wieder zu-
sammen, welche, von einer Mittelschiffarkade herabgehend,
der Aanzel den nöthigen chalt verleiht. Diese kronenartigen
Abschlüsse wurden in der Folgezeit noch öfter, bis in's
\8. Jahrhundert hinein, wiederholt, wie wir weiter unten
sehen werden (vgl. Abb. 53).

Auch Arnold Auelliuus der Alte (f60st—f668),
ein Schüler feines Vaters und des Frangois Duquesnoy,
ragt unter jener Gruppe Antwerpener Bildhauer hervor,
welche den Decorationsstil im Geiste des Rubens vertraten
und weiterbildeten; auch er arbeitete öfter nach Entwürfen
des Rubens. Durch feine herrlichen Sculpturen im
Amsterdamer Rathhaus (jetzt k. Palast) trug er dazu bei,
den belgischen Decorationsstil auch in Holland zu ver-
breiten. von ihm ist die Aanzel in der pauptkirche von
Vilvorde, welche erst (8f2 dorthin kam und ursprünglich
für die Georgskirche in Antwerpen bestimmt war.

Das Werk eines Schülers dieses Künstlers, nämlich
des Ludwig Willemsens (f636—1702), ist sodann die
Aanzel in S. Jacob zu Antwerpen (Abb. (qch).
An derselben finden sich manche Analogieen mit den oben
geschilderten Aanzeln des Erasmus Auellinus in St. Wal-

') Geboren zu Königsberg.

s) Marchal: Mem. cour. XLI, p. 9.
 
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