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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 12
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Semper, Hans: Die kirchliche Holzdekoration Belgiens im Rubensstil und in seinen Ausläufern
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0118

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Geißelung Christi angebracht ist, während auf dem
Schalldeckel eine Madonnenstatue mit einem Engel
den Abschluß bildet. Den fortschreitenden Naturalismus
kennzeichnet hier auch die Lamberquinverzierung
am Rande des Schalldeckels, ein Motiv, welches zwar
schon im (6. Jahrhundert bekannt, vom Rubensstil aber
als zu kleinlich und mager aufgegeben worden war. Die
Brüstung an dieser Ranzel ist dagegen noch nach herge-
brachter Weise mit den Büsten von Aposteln (oder Rirchen-
vätern) in Cart suchen geschmückt, welche durch unten
ausladende Confolen getrennt sind?)

15p ljolzkanzel in der 5. Romboutskirche zu ITtcdjeln von
3- F. B 0 ckstuyns , Th. verhaegen und tN. Vervoort.

Eine sehr schöne Ranzel der Ucbergangszeit ist die des
Wilhelm Ignaz Rerricx von Antwerpen ((682—(7H5),
welche er (7(8 für die Rirche Notre Dame jenseits der
Dyle in Me che ln herstellte. Um den Fuß der Ranzel
herum sind die in schönem Stil gearbeiteten überlebens-

*) Die Kanzel, welche Llaude de Bettignies, Schüler des
Louis le Doux (dessen schöner Schloßthurm in Mons ächten Rubens-
stil zeigt) im Jahre ;7J5 für St. Germain in Mons herstellte und
die jetzt in S. wand ru steht, ist uns zwar nicht bekannt, sie dürfte
aber noch wesentlich im Stile seines Meisters gehalten sein, wenn man
nach dem schönen Processionswagen schließen darf, den Llaude de
Bettignies für die ebengenannte Kirche herstellte.

großen Figuren der vier Evangelisten, sitzend, mit
einander zugekehrten Rücken, angebracht. Neben ihnen
springen, nach alter Weise, geschweifte Lonsolen, die in
den Evangelistensymbolen enden, als Träger der Ranzel-
brüstung hervor. Diese ist nicht mehr wie bisher achteckig,
sondern kreisförmig im Grundriß, am unteren Theile
ausschwellend; zwischen consolenartigen Pilastern zeigt sie
die üblichen Medaillons mit den Enface-Röpfen Christi
und zu beiden Seiten des hl. Blasius und der Jungfrau.
Der ebenfalls kreisrunde, von zwei Engeln gestützte Schall-
deckel ist am Rand mit Lamberquins verziert. Oben
halten auf drei Seiten je zwei vorgeneigte Engel Car-
touchen mit den Reliefbüsten der heiligen Blasius,
Petrus und Paulus. Zwischen den Engeln sind auf
Verkröpfungen Vasen mit Flammen aufgestellt. Be-
sonders beachtenswerth ist der Eingang zur Ranzel, der
durch naturalistisch nachgeahmte Vorhänge ein-
gerahmt ist, welche ebenfalls, wie die zwei großen Engel,
als Stützen des Baldachins dienen. Auch hier ist die ein-
armige Treppe ain Anfang mit permen (des Moses und
Täufers) geschmückt und an der Brüstung mit reichen
durchbrochenen Barockschnörkeln und Akanthusranken
verziert.

Sehr deutlich macht sich der Uebergang zum Natura-
lismus an der Ranzel bemerkbar, welche der Antwerpner
Bildhauer Michel Vervoort im Jahre (7(3 für
die Abteikirche 5t. Bernhard in Antwerpen herstellte
und die seit (804; in der Rathedrale Notre Dame daselbst
steht. (Abb. (50.) Während hier einerseits, am Fuß
und an der Brüstung der Ranzel, die Anlage und Einzel-
sormen des sogenannten Rubensstiles noch beibehalten
sind, so sehen wir andererseits am doppelten Treppenauf-
gang und am Schalldeckel jenen Naturalismus schon
vollständig entwickelt, welcher der großen Mehrzahl der
Ranzeln des (8. Jahrhunderts in Belgien eigen ist.

Schon vollständig zur Herrschaft gelangt sehen wir
diese wilde Ausartung des Barockstils, wie sie seit Ber
nini in verschiedenen Ländern, besonders in Frankreich,
Eingang gefunden hatte, an der Ranzel, welche der \72\
verstorbene p. F. Berbruggen von Antwerpen (Sohn des
Peter Berbruggen) für die Iesuitenkirche in Löwen
herstellte und die von Maria Theresia der Gudulakirche
in Brüssel geschenkt ward. - Der aufgeregten Bewegtheit
der Figuren entspricht die unruhige Draperie, welche den
schwachen Rest von Architectur verhüllt, sowie das Geäst
und Blattwerk des Treppenaufganges und des zum Bal-
dachin aufstrebenden Baumes der Erkenntniß, welcher den
Baldachin stützen Hilst.

Wenn an dieser Ranzel die Architectur immerhin ge-
wissermaßen noch durchschimmert, so verfiel man um die-
selbe Zeit schon in anderen Werken einem so vollständigen
Naturalismus, daß auch jede Spur von Architectur ver-
schwindet, und die ganze Ranzel sich in Felsen und
Bäume verwandelt, die durch malerisch bewegte Figuren
belebt sind.

Ein classisches Beispiel für diese Gattung ist die Ranzel
in der Rathedrale 5t. Rombout zu Me che ln, welche
(725 vom obenerwähnten Michel Vervoort, Theodor Ver-
haegen und I. F. Bockstuyns, ursprünglich für das Nonnen-
kloster der Norbertinerinnen in Leliendael ausgeführt
 
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