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Der Bote vom Neckar: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (2) — 1838

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https://doi.org/10.11588/diglit.42418#0293

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287


Tages Neuigkeiten.
Mannheim, 4. Aug. Gestern Abend trafen der Direktor
und Subdirektor der Basel-Straßburger Dampfschifffahrts-Gesell-
schaft dahier ein, um morgen nach Ruhrort abzugehen, und
die beiden für die Fahrt zwischen Basel und Straßburg bestimm-
ten Dampsbootc, welche endlich, 2 Monate nach der bedungenen
Zeit, fertig geworden, zu übernehmen. Wir werden diese bei-
den , aus Eisen konstruirten, sehr elegant ausgestatteten Boote,
wovon jedes eine Dampfmaschine von 60 Pferdekraft tragt, gegen
den i5. d. M. in unscrm Nheinhafcn begrüßen. Zugleich tonnen
wir den Bewohnern des Neckarufers bis Heilbronn das Vergnügen
versprechen, eines dieser beiden Boote den Neckar befahren zu
sehen, soferne der Wafferstand und die Fahrstraße es gestatten
werden.
— Zn Lindau wüthete ein so starkes Hagelwetter, daß die
Straßen, von Schloßen angefüllt, Schlitten hatten tragen ton-
nen. Die besten Wittcrungsnachrichtcn kommen aus Ungarn.
Dort ist in diesem Jahr nicht nur 'alles wohlgeratheu, sondern
das Korn auch größtcntheils schon geerntet. Seit vielen Jahren
soll es in Ungarn nicht so viel Getreide gegeben haben, als in
diesem. Am Thüringer Wald ist das Wetter noch immer trüb
und regnerisch und erfüllt den Landmann mit bangen Besorgnissen.
— Es ist nunmehr gewiß, daß der Kaiser von Nußland das
Lustlager der baierischen Truppen bei Augsburg besuchen wird.
Auffallend ist es, daß die baierischen Polizeibehörden beauftragt
sind, auf die sich etwa in das Land cinschleichcnden Polen das
wachsamste Auge zu haben. Es heißt, man habe Spuren, daß
sich Polen unter mancherlei Paffen in Deutschland umher trieben,
und daß das tiefste Inkognito des Kaisers auf seinen Reisen
mit diesen Muthmaßungen Zusammenhänge.
— Am französischen Hofe ist große Freude. Die Tochter des
Königs, die Herzogin Marie von Würtemberg ist am 3o Juli
von einem Prinzen glücklich entbunden worden. Die Geburtsakte
ist vom Kanzler von Frankreich aufgesetzt und von allen Gliedern
der königlichen Familie unterzeichnet worden. Das Kind ist
stark und gesund rind wird in der heiligen Taufe die Namen:
Philipp Alcrander Marie Ernst erhalten. — Das Merkwür-
digste bei der diesjährigen Iulifeier in Paris war, daß der
König nirgends sich zeigte, keine Staatsbehörde im Schlöffe sich
zur herkömmlichen Gratulation cinfand und kein Gesandter und
kein Minister eine Anrede hielt.
— In Portugal halt das Stcucrcinsührcn schwerer, als in
andern Landern. So wurde kürzlich eine Zehntsteucr in Braga
ausgeschrieben und das Gesetz darüber durch Anschläge an den
Straßenecken und öffentlichen Platzen bekannt gemacht. Da kom-
men von allen Seiten mit wildem Geschrei bewaffnete Haufen
vor das Haus des Gouverneurs und erklären offen, daß sie die
Steuer nicht bezahlen würden. Nun wurde der Magistrat geholt
und gezwungen, einem MusikkorpS zu folgen und in jeder Straße
und an jedem Hauptplatz öffentlich und laut zu erklären, daß
die Steuer aufgehoben fei.
— Im Lager des Dow Carlos sind zwei Dinge ganz frisch
angekommen, die der Gegenpartei nicht ganz recht sind, nämlich

Geld und Muth. Die unbekannte Hand hat schon wieder 5 Mil-
lionen hergegeben und versprochen, jeden Monat 2 Millionen
auszuzahlen, wenn Don Carlos sich tapfer hielte und den über-
müthigen Gcun-ak Espartcro vor Estclla zurücktrcibe. Maroto
hat aber bis jetzt noch keine Hcldcnthatcn gcthan, wenn sein
Zaudern nicht eine ist.
Aus Baiern. Das königliche Ministerium des Innern hat
unterm 3r. Mai l. I. eine Entschließung erlassen, in welcher
erklärt werd, daß die Aeltern berechtigt seien, nicht nur vor
und bei Einsegnung der Ehe, sondern auch wahrend der Dauer
derselben nach ihrem eigenen Gutfinden über die religiöse Erzie-
hung ihrer Kinder vertragsmäßige Bestimmungen zu treffen. Da
die Kinder erst durch die Kommunion oder Konfirmation zu
einer der christlichen Konfessionen treten, so soll cs den Aeltern
bis zu diesem Zeitpunkt gestattet sein, dergleichen Bestimmun-
gen mit beiderseitiger Einwilligung abzuändern. >—- So viel man
vernimmt, sind die beiden Gymnasien in München den Jesuiten
übergeben worden.
— Die Zuckerfabrik in Magdeburg macht sehr bedeutende
Geschäfte. Sie hat auf /.000 Morgen Landes im vorigen Som-
mer 600,000 Zentner Rüben gebaut, beschäftigte Tag und Nacht
sehr viele Arbeiter und machte nach Abzug aller Kosten einen
reinen Gewinn von 26 Prozent. Es wird in dieser, einen Fab-
rik fortwährend so viel Zucker verfertigt, daß der ganze Regie-
rungsbezirk Magdeburg damit versüßt werden kann.
Mancherlei Altes und Neues.
Der unermüdliche Bittsteller. Einer der unermüdlich-
sten Bittsteller in Frankreich war der Herr T. aus der Stadt
Orgnon, der am 3i. Juli i83o starb. Fünfzehn Jahre lang,
seit 1815 , belagerte er das Ministerium des Innern und bat
um eine Pension oder ein Tabaksburean (— der Tabakshandel
ist in Frankreich bekanntlich Monopol der Negierung —). T.
hatte nur ein Necht dazu, aber ein sehr solides; er war es, der
1815 auf der Hauptstraße von Orgnon den ersten Stein gegen
Napoleon geschleudert hatte. Nach dieser Heldenthat hob er den
Stein auf, ließ sich die That bescheinigen und rciscte nach Pa-
ris , um seine Rechte und Ansprüche auf die Gunst der Negierung
geltend zu machen. Die Negierung war taub. Bei jeder Ver-
änderung des Ministeriums erschien T. mit seinem Steine bei
dem Minister des Innern und rcklamirte. Man besah den Stein,
verweigerte aber die Pension wie das Tabaksbureau. T. war
oft nahe daran, in seiner Verzweiflung den Minister oder sich
selbst zu steinigen. So verlebte er die fünfzehn Jahre der Re-
stauration , nutzte seine Stiefeln und seinen Stein ab und erhielt
nichts. Die Iulircvolution machte ihn höchst bestürzt; er warf
seinen Stein in den Garten des Ministers des Innern und siel,
getroffen von einer Kugel.
Die Morningpost erzählt, ein Zahn Newtons sei im Jahre
18 rü von Lord Schaftcsburp für 700 Pfd. Sterling gekauft worden.
Der Weinbau in Frankreich ernährt nach offiziellen Berichten
2,200,000 Familien, also ein Fünftel der Gesammtbcvölkerung
des Landes, die Meinstcuer liefert den sechsten Theil der Ein-
künfte des Staates und die Halste aller städtischen Einnahmen.
 
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