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Der Bote vom Neckar: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (2) — 1838

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https://doi.org/10.11588/diglit.42418#0388

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chen ergiesct sich unterhalb die durch die Vorstadt fliesende El-
senzbachc , welche 4 Mahl- uird 3 Lohcmühlcn betreibet. Durch
die Stadt gehet die von Heidelberg nach Moßbach führende
schöne Landstraße. Am Necker wird der Kurfürstliche Wasserzoll,
in der Stadt aber der gewöhnliche Landzoll erhoben.
Die Stadt hat durch Kaiserliche Freiheitsbricfe ihre besondere
Gerichtbarkeit, nebst dem Blutbanne, wozu der Richtplatz und
Galgen unterhalb der Stadt befindlich ist. Die Burg Reichen-
stein aber liegt oberhalb derselben, auf einem hohen Berge, in
ihren noch sichtbaren Trümmern.
Die Bevölkerung der Stadt betrug im I. 1784 beiläufig
1880 Seelen, in /,o6 Familien. Unter den Gebäuden finden
sich 3 Kirchen, 3 Pfarr - 3 Schul- und 226 bürgerliche Hau-
ser, nebst Zs Mühlen. Die Gemarkung enthalt 383 Morgen
Aecker, 268 M. Wiesen , 43 M. Gärten , und 1000 M. Wald.
Die Hauptkirche dieser Stadt war dem Heil. Udalrich gewci-
het, gehörte zum Wormser Bistum und in das Waibstatter
Landkapitel. Das Kloster Schönau hatte darin den Pfarrsaz,
und Wiesenbach war ein Filial davon. In einer Kapelle außer-
halb der Stadt war eine Altarpfründc zu U. L. F. welche die
Pfalzgrafen zu verleihen hatten. In der Kirchentheilung fiel
jene Kirche den Rcformirten zu, die solche mit zwcen Predigern
bestellet, und dazu anfänglich die Orte Dilsberg, Wiesenbach,
Muckenloch, Langenzelle, Wald-Wimmersbach und Klein-Ge-
münd cingepfarret hatten. Vor einigen Jahren aber machten sie
aus Wiesenbach eine besondere Pfarrei, legten selbiger Dilsberg,
Muckenloch und Langcnzell bei, Wald-Wimmcrsbach aber über-
trugen sic dem Pfarrer zu Haag. Sie gehöret unter die In-
spektion der Klasse Wißloch. Die Katholischen haben erst im
I. 1718 eine eigene Kirche aus gesammelten Almosen erbauet,
und zur Ehre des H. Johann von Nepomuk einweihen lassen.
Der Bischof von Würzburg hat durch einen mit Kurpfalz ge-
schlossenen Vertrag den Pfarrsaz übernommen, da hingegen auch
diese Kirche seinem Bistum und dem Mosbacher Landkapitel
einverleibet, in welche nun die Dörfer Hilsbach und Geiberg,
die Ziegelhütte und Klein-Gcmünde eingepfarret sind. Die Luthe-
rischen haben auch eine eigene aus Almosen erbaute und mit einem
Prediger bestellte Kirche, der zugleich die Dörfer Bamenthal,
Gäuberg, Hilsbach, Wiesenbach, Dilsberg, Muckenloch und
Klein-Gemünde mit verstehen muß.
Den großen und kleinen Zehnten in der Gemarkung beziehet
der Reformiere Pfarrer zur Besoldung z von allen Ncubrüchcn
aber die Kurfürstliche Hofkammcr.
Die Stadt besizet beträchtliche Waldungen, die über tausend
Morgen Landes betragen, und zu beiden Seilen des Ncckcrs
liegen. Zwcen Bezirke zur Stadt, und zwecn zum Dorfiein Klcur-
Gcmünd gehörig, liegen auf der rechten Seite dieses Flusses,
und gehören unter die Hut des herrschaftlichen Försters zu Zic-
gelhauscn; vier Bezirke auf der linken Seite aber schlagen in die
Hut des Försters zu Wald-Wimmcrsbach, und die übrigen sechs
Distrikte in den Gäubcrgcr Forst ein.
Der Magistrat ist mit einem Stadtsehultheiscn, vier NathS-
gliedern und einem Stadtschreiber bestellet. Die Stadt führet
in ihrem Wappen und Siegel annoch den Reichsadler, jedoch
nur einfach mit dem Reichsapfel aus der Brust. Daselbst wäh-
ltet auch liebst dem Zentgrafen , der Oberschulthcis lind Aussaut
der Meckesheimer Zent. (Fortsetzung folgt.)

Die Karthaunc, oder Peters des Steifen Liebes-
abenteuer.
Die Karthaunen — sonst das größte Belagerungsgeschütz
— thcilten sich in ganze, halbe und viertel. Die ganze
war über 3 Ellen lang, wog 70 bis 80 Zentner, ward mit
20 bis 3o Pfund Pulver geladen und schoß eine 48- bis 60-
pfündigc Kugel.
Eiue solche Mordmaschine, die faule Magd genannt, der-
gleichen man natürlich nicht in Menge hatte, stand bei der preus-
sischen Belagerung Dresdens im siebenjährigen Kriege (1760)
auf dem Seethorwalle, zum Ruin der nahen Häuser, wie zu
Angst und Schreck ihrer Bewohner, denn der Karthauncndonncr
war so furchtbar, daß der kommandircnde Offizier gewöhnlich
der Nachbarschaft aus Menschlichkeit jeden Schuß vorher ansagcu
ließ, wenn nicht alle Fenster springen, alle Herzen zittern sollten.
»Heute geht dreimal die große Karthaunc, früh sechs, Mit-
tags zwölf, Abends sieben Uhr,« so flog's oft von Haus zu Haus
und Jeder nahm seine Maßregeln darnach. Man betete und aß
nicht eher, bis ihr Donner verrollt war , und Zerbrechliches ließ
man so leicht nicht frei hcrumstehen.
Dieser großen Mord- und Lärmmaschine gegenüber wohnte
eine mäuschenstille Familie, der alte Geheim-Kanzlist Schöne,
mit einer tauben Gattin und einem hölzernen Sohne, Stadt-
naseweisen bekannt utrter dem Namen: Peters des Steifen
oder des großen Jungen, obschon er seit 18 Jahren Papa's
Kollege in der Gcheim-Kanzlei war, denn, von Jugend auf
nur strebend, nach schlechten Konzepten schöne Munda (reine
Abschriften) zu liefern, nie licbcnd, nie hassend, nie sorgend,
selten lachend, von Welt und Menschen nichts kennend als Kanz-
lciweg und Kanzleiverwandte, Tintcfaß und Streusandbüchse,
stets an der Eltern Tische und unter ihrer Hut, war er ein
komplett unschuldiges, aber eben so originelles Wesen geworden.
Senn Antlitz, eine Scheibe ohne Schwarz und Nagel, sein Rük-
ken ein Lineal, sein Anzug ewig derselbe, grau in grau, wie
ein Papicrsack, ging er tagtäglich zur selben Zeit und Schritt
vor Schritt mit dem steifen Papa, natürlich unten an, in die
Kanzlei, nach dieser mit der tauben Mama um die Stadt, blieb
Abends daheim, ergötzte sich, nach gehörigem Imbiß, an alten
Schwarten (alten Büchern), meist an Zicgler's «Labyrinth der
Zeit,« das er fast auswendig konnte, schimpfte auf den großen
Friedrich, daß er mit Kanonen und Soldaten die Ruhe der
Menschen störe und schloß sein Tagwerk mit Tiede's Abend-
stunden, um mit Sturm's Morgenstunden es wieder zu beginnen.
(Zouiqmlg s-lgl.)

N L t h sc !.
Ich bin eine Blume wie Purpur so roth,
Doch bin ich giftig und bringe den Tod;
Bin ich von Silber, Stahl oder Bein,
So kann ich wohl minder gefährlich sein '
Damen dien' ich zur Arbeit, und gegen den Stich
Des kleinsten der Spiese beschütze ich dich.

Stuflösung des RäthsclS in Nro. 85:
L u m p e n g l 0 ck c.

Ausgegeben bei dem Verleger in Heidelberg und bei Ferdinand Lcmpp in Mosbach.
Herausgegcben und gcdrukt vom UmvcrsitätS-Buchhandler August Oßwald in Heidelberg.
 
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