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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 13.1912

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Nr. 7
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Ebhardt, Bodo: Der Schloßbau, 3, Art der Bauaufgabe
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https://doi.org/10.11588/diglit.31850#0149

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Die Überschätzung des kleinbürgerlichen Geistes der obengenannten Epoche und des
bäuerlichen in der Dekorationsweise haben dazu geführch daß der große Zug nur noch bei
der Lösung inaterieller Aufgaberp bei Warenhäusern, Verkehrsbauten usw. angestrebt wird und
daß die Freude des privaten Bauherrn an der Schönheit seines Besitzes sich in keinem Streben
nach Formenschönheit mehr zu äußern wagt. Ast es wirklich die Herrschaft der Mode oder ist es
die blasse Angst vor den dröhnenden Schritten und dem Neid der Revolutionsmänner, die
die Veranlassung dazu gibt, daß schloßartige Häuser, die Hunderttausende kosten, nach den
Straßen zu in einer absichtlichen Kärglichkeit ausgebildet werden und eher an Armen- und
Krankenhäuser erinnern als an den Wohnsitz eines reichen Mannes? Ast es wirklich nur der
Einfluß der Mode, wenn aus dem Lande der Stil der Wende vom achtzehnten zum neun-
zehnten Aahrhundert, höchstens ein kaltes Barock der Zeit kurz vor Empire und Biedermeierei
als allein berechtigte Kunstrichtung gelten? Selbst das englische Landhaus, das zeitweise
das allein Seligmachende sein sollte, ist als Vorbild „überwunden", mit Unrecht, soweit
es seine malerische Gestaltung betrifft, mit Recht, soweit es als Vorbild bezwecken sollte,
dem Deutschen eine sremde Art des täglichen Lebens auszuzwingen, ihn nötigen wollte, in
unserem hürteren Klima die geringen Wandstärken, mangelhasten Fenster und Heiz-
vorrichtungen des englischen Hauses mehr oder weniger nachzuahmen, trotzdem im Ur-
sprungslande selbst über diese Mängel leidenschaftlich geklagt wird, während doch dort ein
milderes Klima dieselben noch erträglicher macht.

Die Baumeister haben sich sreilich zu allen Zeiten von den Strömungen der Tages-
mode beeinflussen und leiten lassen, zu kciner Zeit aber war wohl die Kunstrichtung so un-
bestimmt und kurzlebig, so im Zick-Zack-Kurs, wie heute, zu keiner Zeit ist wohl auch der
Architekt selbst in seinen Anschauungen so unsicher wie heute, wo einer der gefeiertsten
Entdecker des Warenhausstiles seine Entdeckung bei dem nächsten Schritt sofort aufgibt und
einen gotischen Kirchen- oder Klosterbau sür die Einkleidung seines Nützlichkeitswerkes herstellt,
oder wo der Vertreter des Biedermeier- oder Barockstiles bei der ersten größeren Aufgabe
sein Vorbild von England holt. Dabei muß zugestanden werden, daß es zu keiner Zeit dem
strebsamen Künstler durch die Masse der unnötigen und nicht sachverständigen Fachschriftsteller
so schwer gemacht wurde, aus sich selbst zu einer abgeschlossenen Entwicklung zu gelangen, und
dah unsere Zeit mit ihrer ganz allgemcin verbreiteten „Kenntnis" sämtlicher früheren Baustile
das einfache, emporstrebende Schaffen aus der Tiefe heraus fast unmöglich macht durch die
blasse Reflexion alles dessen, was der Künstler schon weiß — wenn auch nicht kann.

Zu allen diesen Nmständen, die einer Entwicklung des Schloßbaues schon nicht günstig sind,
kommt noch der Einfluß einer überwiegend dcmokratischen öffentlichen Mcinung in fast allen
Ländern, die auf hoher Entwicklungsstufe stehen, um zu verhindern, daß mit Freuden auch der
stolze Wohnsitz eines großen Herrn oder eines Multimillionärs als erstrebenswerte, schöne
Aufgabe anerkannt und dargestellt wird. Ein weiterer Grund ist aber auch wohl der Mangel
an einer modernen fachwissenschaftlichen Arbeit auf diesem Gebiet; große Aufgaben dieser Art
sind dabei merkwürdigerweise genügend vorhanden.

Es ist also berechtigt zu fordern, daß beim Schloßbau die Wahrheit seiner Bestimmung
ebenso im Äußern erkennbar sei wie bei den Kleinwohnbauten. Der Schloßbau ist eine grohe
Bauaufgabe, sie werde auch großzügig angepackt. Weite Kreise des Volkes sind als Be-
sitzer oder Ausführende an solchen Arbeiten interessiert, Fürsten und Herren bauen neue
Schlösser oder ändern vorhandene Bauten, die großen Industriellen Deutschlands haben
von jeher mit Vorliebe für sich glänzende Schlösser errichtet, oder Burgen ausgebaut,
der amerikanische Millionär schwärmt ebenso für Schlösser und Burgen wie der sranzösische
 
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