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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 28.1911

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Osborn, Max: Neue Arbeiten von Oskar Kaufmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.7380#0039

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NEUE ARBEITEN VON OSKAR KAUFMANN.

VON DK. MAX OSBOKN.

Als vor einigen Monaten die preußische Re-
. gierung bei ihren Einladungen zum enge-
ren Wettbewerb um die neue Berliner Hofoper
wieder einmal geflissentlich alle jüngeren Ta-
lente überging — die Götter allein wissen, wie
der Handel nun auslaufen wird! —, stand auf
der „Liste der Vermißten" in der ersten Reihe
auch Oskar Kaufmann. Der Erbauer des
Hebbel-Theaters hatte kurz zuvor an zwei be-
deutsamen Exempeln seine außerordentliche
Begabung gerade für den Bühnenbau abermals
bewährt. Sein Entwurf für das Privatunter-
nehmen der „Großen Oper" zu Berlin hatte
den ersten Preis erlangt. Freilich, der Mensch
denkt, und der Geheime Oberregierungsrat von
Glasenapp, Dezernent der Theaterabteilung
des königlichen Polizeipräsidii, — lenkt. Die
„Große Oper" fiel mit Aplomb in die Ver-
senkung, und Kaufmanns Pläne blieben auf dem
Papier. Aber zugleich hatte er in der Konkur-
renz um das Stadttheater zu Bremerhaven ob-
gesiegt. Und hier sollte der Entwurf auch zur
i at werden. Tut nichts, - die preußische Re-^
gierung braucht vom Vorhandensein solcher
Kräfte nichts zu wissen. Namentlich wenn sie
-eheu! eheu! - den gottlosen „modernen"
Uiitstott in sich aufgenommen haben

Will man Oskar Kaufmanns Kunst auf eine

Formel bringen — was immer Schiefheiten, aber
auch immer richtige Perspektiven ergibt ,
so könnte man sagen: ihr Charakteristikum ist
eine sehr merkwürdige, sehr persönliche Mi-
schung von monumentalen und intimen Zügen.
Derselbe Architekt, der wie wenige andere
festliche Fassadenwirkungen zu ersinnen weiß,
zeigt auf der anderen Seite ein ungewöhnliches
Geschick für die Ausgestaltung behaglicher und
wohnlicher Innenräume. Die Skala seiner Ar-
beiten führt von Kinderzimmern und Boudoirs
bürgerlicher Mietswohnungen bis zu Kunst-
tempelentwürfen für die Allgemeinheit. Aber
es ist nicht ein Allerweltskönner, der hier mit
flinker Geschicklichkeit und Routine sich jeder
gestellten Aufgabe schlecht und recht entledigt,
sondern der Fall liegt so, daß ein Künstler,
überall von den gleichen tektonischen Grund-
gedanken ausgehend, diese Prinzipien mit der
praktischen Anpassungsfähigkeit des geborenen
Architekten in jedem Falle zweckentsprechend
anzuwenden weiß. Bei aller Mannigfaltigkeit
\ erhält dadurch sein bisheriges Werk eine inter-
essante, starke Einheit und Geschlossenheit.

Jene Grundgedanken beruhen hier wie dort
auf einer prachtvollen Sicherheit in der Be-
herrschung der Flächen, ihrer klaren und ori-
ginellen Gliederung und ihrer ebenso einfachen

1911. VII. 3.

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