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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 28.1911

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Fischer, Theodor: Über Werkstoff und Formgebung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7380#0259

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Über Werkstoff und Formgebung.

GEORG MINNE LAETHEM.

»Büste« (getönter Gips).

UBER WERKSTOFF UND FORMGEBUNG.
Surrogate an sich gibt es nicht. Erst die
falsche Formgebung macht einen Stoff zum
Surrogat. Es scheint, daß jeder neue Werk-
stoff als Surrogat geboren wird: Papier war
Surrogat für Pergament, Papiertapeten für Stoff-
tapeten usw. Man kann sehr wohl erklären,
warum ein neuer Werkstoff zunächst als Imi-
tation oder Surrogat auftritt. Alle diese Dinge
hängen wesentlich von Gewohnheiten ab . .
Es ist überflüssig, davon zu reden, wie schwer
neue Formen Verständnis bei den Menschen
finden, aber andererseits ist kein Zweifel, daß,
sobald das Material sich eingebürgert hat, der
menschliche Geist dazu gedrängt wird, eigene
neue Formen zu suchen; und so finden wir
denn auch, daß überall bald versucht wird, das

Wesentliche des neuen Stoffes, seine
Struktur, seine Verarbeitungsfähigkeit und seine
Farbe hervorzuheben. Das additive Orna-
ment ist weit unabhängiger von den Einflüssen
des Materials, als die ästhetisch wirkende
Werkform, die ausschließlich aus dem Mate-
rial geboren wird: aber auch hier läßt sich in
guten Stilepochen nachweisen, daß die For-
mung des additiven Ornaments nicht unbeein-
flußt ist von der Art des Materials. Die Imi-
tierung scheint ein Kindheitsstadium fast
bei allen neuen Werkstoffen zu sein. Reifere
Kunst wird eigene Formen suchen. Freier ist
das Ornament, jedoch auch dieses darf nicht
willkürlich und ohne Rücksicht auf die Art des
Materials verwendet werden. —

AUS EINEM VORTRAGE VON PROF. THEODOR FISCHER.

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