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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 28.1911

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Westheim, Paul: Wege und Ziele der Bühnen-Ausstattung, [1]
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KMANÜEI. JOS. MAKGOf.D- WIEN.

Gestickter Fächer, Braune Seide mit Rot, Weiß und Gelb. Ausfuhrung: Elia Weltmann.

WEGE UND ZIELE DER BÜHNEN-AUSSTATTUNG.

VON PAUL VVESTHEIM.

Das Theater der Gegenwart leidet an einer
inneren Unfruchtbarkeit. Es fehlt
nicht an Stücken und Stückemachern; aber die
Ballen Papier, die in den Theaterkanzleien
lagern, bergen weit mehr Makulatur, denn groß
gestaltetes Leben. In die Logen und Parkett-
reihen drängt sich nicht die leidenschaftlich be-
geisterte Jugend, nicht der tatfrohe Mensch,
der, der höchsten Erwartung voll, Antwort
heischt auf die gewaltigen Fragen der Zeit und
des eigenen Daseins. Die geputzte, schwatz-
hafte , vergnügliche Menge sucht hier Z e r s t r e u -
ung, nicht Erhebung. Vom Dichter wird eine
Unterhaltung, nicht eine kosmische
Auseinandersetzung verlangt.

Wenn die leicht geschürzte Operette Spiel-
plan und Kassenrapporte beherrscht, so ist das
wohl kaum als gesinnungslose Tücke der
Theaterleiter aufzunehmen. Unter ihnen gibt
es ideal und reinlich angelegte Naturen, die es
lebhaft genug beklagen, daß die im Volkskörper
schwingenden Kräfte sich nirgends verdichten
zu Spielen von monumentaler Weihe, daß der
Gestalter fehlt, der von den Brettern herab uns

künde, was die Welt denn uns — uns Men-
schen des zwanzigsten Jahrhunderts — bedeu-
tet. Ihre Kunst sehen sie erniedrigt zum freude-
losen Handwerk, weil sie mit ihren Darstellern
allabendlich Schemen anblasen müssen zu einer
Scheinexistenz, die schnell, furchtbar schnell
wieder verblaßt.

Das Sisyphusartige dieser ganzen modernen
Komödienspielerei wird um so grausvoller, wenn
man heraus aus dieser Welt der Soffiten und
Kulissen hinüberindenBereichderbil-
denden Künste blickt. Da zuckt's und
sprüht's, da gährt und schäumt und brodelt es
an Energie. An lebendigster Energie, die, aus
der Gegenwart emporschwellend, sich auswirkt
in Werten von zeitlos elementarem Gepräge.
In der Architektur, der Plastik, der Malerei,
selbst in dem Vielerlei der kunstgewerblichen
Dinge kommt alles, was an starken Gedanken
unser Dasein beherrscht, zum Ausdruck. So-
wohl der harte Realitätensinn, wie die sehn-
suchtsschauernde Romantik; sowohl die pan-
theistische Naturanschauung, wie die sozialen
Ideale; sowohl die Mystik des gläubigen Her-
 
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