DOI Artikel:
Westheim, Paul: Wege und Ziele der Bühnen-Ausstattung, [1]
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.7380#0082
Wege und Ziele der Bühnenausstattung.
ENTWURF: EM. J. MARGOLD.
mann oder Hasenclever bis hinüber zu An-
ton von Werner in Berlin gepflegt wurde. In
der Architektur war es die ängstliche Nachbil-
dung älterer Ornamentformen, in den Gewerben
die Stilimitationssucht. Die Literatur — Frey-
tag, Ebers, Sienkiewicz — schwelgte in
historisch klingenden Schildereien; die Wissen-
schaft pflegte die ameisenhafte Durchforschung
von Einzelfragen. Schliemann machte seine
prächtigen Ausgrabungen, und so ließen sich
Hunderte von kleinen Zügen aneinanderreihen,
die alle das eine aussagen, daß der Sinn
der Zeit auf eine beweis- und beleg-
bare Korrektheit gerichtet war. Die
Kunst wurde infolgedessen weniger sinnlich als
verstandesgemäß aufgenommen.
Für die Bühnenausstattung bedeutet das
ENTW.: EM. J. MARGOLD. Ausführung: Ella Weltmann-Wien.
Ausführung beider Hüte: Maison Adele—Wien.
den Antrieb, dem Requisitenmaterial die höchst
mögliche „Echtheit" zu geben. Der Regisseur
hätte am liebsten den „Canale grande" aus Ve-
nedig, das Königsschloß aus Helsingfors heran-
geschleppt, wenn das denkbar gewesen wäre.
So begnügte man sich damit, den Maler an
Ort und Stelle peinlich genaue Studien machen
zu lassen, damit sein Prospekt wohl gar das
Original noch an Echtheit übertreffe. Kisten
und Kasten, Schränke und Stühle, Helme und
Gewänder wurden aus fernen Ländern oder
dumpfen Antiquitätenläden ins Rampenlicht ge-
zerrt. Und das Publikum fühlte sich dem Geist
der Dichtung näher, wenn der Harnisch des
Götz aus einer Raubritterburg stammte, und die
Armbrust des Teil ein eidgenössisches Schieß-
zeug war. (Schluß folgt.)
ENTW.: EM. J. MARGOLD. Ausführung: Maison Adele-Wien.
68
ENTWURF: EM. J. MARGOLD.
mann oder Hasenclever bis hinüber zu An-
ton von Werner in Berlin gepflegt wurde. In
der Architektur war es die ängstliche Nachbil-
dung älterer Ornamentformen, in den Gewerben
die Stilimitationssucht. Die Literatur — Frey-
tag, Ebers, Sienkiewicz — schwelgte in
historisch klingenden Schildereien; die Wissen-
schaft pflegte die ameisenhafte Durchforschung
von Einzelfragen. Schliemann machte seine
prächtigen Ausgrabungen, und so ließen sich
Hunderte von kleinen Zügen aneinanderreihen,
die alle das eine aussagen, daß der Sinn
der Zeit auf eine beweis- und beleg-
bare Korrektheit gerichtet war. Die
Kunst wurde infolgedessen weniger sinnlich als
verstandesgemäß aufgenommen.
Für die Bühnenausstattung bedeutet das
ENTW.: EM. J. MARGOLD. Ausführung: Ella Weltmann-Wien.
Ausführung beider Hüte: Maison Adele—Wien.
den Antrieb, dem Requisitenmaterial die höchst
mögliche „Echtheit" zu geben. Der Regisseur
hätte am liebsten den „Canale grande" aus Ve-
nedig, das Königsschloß aus Helsingfors heran-
geschleppt, wenn das denkbar gewesen wäre.
So begnügte man sich damit, den Maler an
Ort und Stelle peinlich genaue Studien machen
zu lassen, damit sein Prospekt wohl gar das
Original noch an Echtheit übertreffe. Kisten
und Kasten, Schränke und Stühle, Helme und
Gewänder wurden aus fernen Ländern oder
dumpfen Antiquitätenläden ins Rampenlicht ge-
zerrt. Und das Publikum fühlte sich dem Geist
der Dichtung näher, wenn der Harnisch des
Götz aus einer Raubritterburg stammte, und die
Armbrust des Teil ein eidgenössisches Schieß-
zeug war. (Schluß folgt.)
ENTW.: EM. J. MARGOLD. Ausführung: Maison Adele-Wien.
68