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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 28.1911

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Warlich, Hermann: Die Kultur der Strasse
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https://doi.org/10.11588/diglit.7380#0102

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DIE KULTUR DER STRASSE.

VON DR. H. WARLICH-CASSEL.

Die Ruhe und Vornehmheit des Straßenbildes
unserer Städte ist durch die kulturlose
Bauweise in der zweiten Hälfte des verflossenen
Jahrhunderts und durch die sinnlose Reklame-
wut der letzten Zeit so gut wie völlig zerstört.
Jetzt, wo wir wieder Stil und Charakter auf
dem Gebiete der Baukunst und der Gewerbe-
künste erstreben, tritt die Forderung einer an-
gemessenen Gestaltung des Straßenbildes mit
gebieterischem Zwang an uns heran. Der Ar-
chitekt, der letzten Endes ja ein Raumbildner
ohne Einschränkung ist, will auch im Stadtbild
wieder seinem Raumsinn zu angemessenem Aus-
druck verhelfen und die Straße in Grundriß und
Aufbau als einen wirkungsvollen Raum gestal-
ten. Raumgefühle und Raumwerte kommen
bereits wieder deutlich in neueren Stadtvierteln
unserer Großstädte zur Wirkung, die dem be-
wußten Schaffen neuzeitlicher guter Architekten
ihre Entstehung verdanken. Leider fehlt es
aber im allgemeinen noch vollkommen auf die-

sem wichtigen Gebiete modernen Städtebaues
an der nötigen künstlerischen Disziplin der Bau-
herren und der Stadtverwaltungen. Die vor-
wiegende Geschmacklosigkeit der meisten Bau-
herren, deren hier gestattete und geübte per-
sönliche Freiheit sehr oft in rücksichtslose
Willkür ausartet, erfordert aber endlich, daß
diesem wilden Treiben von maßgebender Stelle
nachhaltiger Einspruch geschieht. Jede Frei-
heit, auch die persönlich berechtigte, hat ihre
natürlichen Grenzen da, wo das Interesse und
das Wohlergehen der feiner Empfindenden oder
des Ganzen beginnt. Hier muß der zügellosen
Willkür die kulturelle Schranke gesetzt werden,
hier müssen von den maßgebenden Instanzen,
städtischen oder staatlichen Behörden, die
Richtlinien gegeben werden, nach denen der
einzelne mit Rücksicht auf die Kultur des
Straßenbildes sich den Forderungen der Städte-
bauer, den ästhetischen Interessen der Nach-
barn und der Allgemeinheit unterzuordnen hat.

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