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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 28.1911

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Grolman-Wiesbaden, W. von: Die Ausstellung "Leibl und sein Freundeskreis": veranstaltet im Festsaal des Rathauses zu Wiesbaden durch die Wiesbad. Gesellschaft f. bild. Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7380#0388

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Die Ausstellung -»Leibi und sein Freundeskreis«.

IM BESITZ VON FRAl' DR. SCHOLDERER—CRONBERG.

kreises begriff man, wie diese uns so schlicht
und harmlos erscheinenden Malereien einst
revolutionären Charakter hatten. Da ist ein
„Frühling an der Wurm" vom Jahre 76,
dessen impertinentes Blauweiß und Gelblich-
grün dem ganzen Bilde eine Helligkeit verleiht,
wie sie unter den Bildern der Ausstellung erst
in den jüngsten Werken Sperls, die 30 Jahre
später entstanden, wiederkehrt.

Auch Otto Scholderer, demThoma schon
in Düsseldorf nahe getreten und mit dem er
sich dann wieder in Paris getroffen, hatte sich
in München dem Freundeskreise Leibis ange-
schlossen. Im ganzen nur ein mittleres Talent,
im Bildnis und Figurenstück zuweilen stark vor-
sagend, verfügte er über einen feinen Farben-
sinn, der ihm erlaubte, im kleineren Stilleben
wirklich Vollendetes zu schaffen. Ein berückend
zarter silbergrauer Ton beherrscht die durch-
sichtig feine Primamalerei des „Austernfrüh-
stücks" (S. 374). Von seltener Kraft dagegen
sind die graugrünen Birnen mit dem Rotweinglas
bei Frau Schümm (S. 375); solche Farbenkultur
im Deutschland der sechziger Jahre war frei-
lich vergeblich aufgewandt. Auch ein Selbst-

bildnis aus der Pariser Zeit interessierte, ein
zweites etwas späteres, im Schlapphut, gut im
Ton und kräftig im Ausdruck, entstellte die
formlos klumpige Hand, ein drittes aus späteren
Jahren von fleißiger Arbeit, aber bereits kolo-
ristischer Haltung bar, störte durch kleinlich
photographische Treue. Deutlicher noch traten
die Schwächen hervor in dem Damenbildnis mit
blauem Gewand. Der Kopf ist schwächlich
und süßlich, Kleid und Hände sind ängstlich
gemalt und nur die Tapete verriet in Kolorit
und Zeichnung feinfühlige Künstlerhand.

Der symphonische Reichtum der Schuch'
sehen Palette, die Glut und Pracht seines Co-
lorits üben auf die Sinne eine derart bezau-
bernde, um nicht zu sagen berauschende
Wirkung, daß es nur zu begreiflich ist, wenn
die Auffassung entstand, als ob ihm das Schwel-
gen im sinnlichen Reiz der Farbe die Haupt-
sache sei, wodurch er auf die Stufe des Kunst-
gewerblers sinken würde. Damit zusammen
hängt der Glaube, der mir überall begegnete,
daß die Bilder „unreproduzierbar" seien, weil
die Schwarz-weiß-Reproduktion nichts von ihren
Reizen übrig lassen könne. Statt dessen zeigt

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