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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 28.1911

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Grolman-Wiesbaden, W. von: Die Ausstellung "Leibl und sein Freundeskreis": veranstaltet im Festsaal des Rathauses zu Wiesbaden durch die Wiesbad. Gesellschaft f. bild. Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7380#0394

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Die Ausstellung -»Leibi und sein Freundeskreise.

WILHELM TRUBNKR KARLSRUHE.

»Der einsame Trinker« 1884.

: GEH. RAT PROF. DR. SCHl'I.TZE—BONN.

die Wiedergabe der „Melone" (Abb. S. 371),
des vielleicht farbenprächtigsten Stückes der
Ausstellung das Gegenteil. Mit welcher Kraft
und Klarheit scheiden sich die dunklen und
hellen Massen, fast als ob das Original eine
eigens für die Reproduktion gefertigte Kohlen-
zeichnung sei! Auch die roten Äpfel mit der
silbernen Dose (Abb. S. 373) zeigen das gleiche
Kompositionsprinzip. Im Gegensatz zu den Stief-
mütterchen der National-Galerie (Abb. S. 370)
und dem wohl über 2 m breiten gewaltigen
Küchenstück (Abb. S. 369), das den Stil der
venetianischen Zeit repräsentiert, (Schuch hat
hier die Leibische Tupfenmalerei gegen eine ein-
fache und vertrieben modellierende, aber doch
breite Malweise vertauscht) tragen diese beiden,
dem zweiten Pariser Aufenthalt entstammenden
Werke, ausgesprochen impressionistischen Cha-
rakter, wenn auch der Künstler niemals der Hell-
malerei sich zugewandt hat. Den Höhepunkt
der Epoche stellt aber das Spargelbild dar. Auf
flaumig weicher Decke von grauviolettem Ton

liegt ein mit breitestem Pinsel hingehauenes, in
der Form nur angedeutetes, gelblich-weißes
Spargelbündel vis-ä-vis einem fast geleerten
Weinglas. Und doch fühlen wir uns vor diesem
bischen „toter Natur" zu den Höhen der Kunst
erhoben und verweilen andächtig vor der kleinen
Leinwand, gleich wie vor jenem „geschlachteten
Ochsen" im Louvre, in dem sich das Genie
eines Rembrandt offenbarte.

Eine völlig neue Note aber bringt die „Som-
merlandschaft aus der Mark" (S. 387) in das
Werk des Künstlers; sie liefert den Beweis,
daß er nicht des Zaubermittels sinnlich raffi-
nierter Farbenwirkungen bedarf, um uns zu
fesseln, denn so feurig-kraftvoll auch die Farbe
dieser einzigartigen Schöpfung ist, so hat er
doch hier auf jeden eigentlichen Kolorismus im
Sinne künstlich abgewogener Farbenharmonien
verzichtet. Leider hat die Wiedergabe gerade
hier versagt und den Charakter dieser „ Sommer-
landschaft", den ich nur dem gleichnamigen
Werke Böcklins vergleichen kann, nicht recht

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