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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 28.1911

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Grolman-Wiesbaden, W. von: Die Ausstellung "Leibl und sein Freundeskreis": veranstaltet im Festsaal des Rathauses zu Wiesbaden durch die Wiesbad. Gesellschaft f. bild. Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7380#0402

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Die Ausstellung »Leibi und seht Freundeskreis«.

heiteren Genialität des Wiener Kindes Trübner
mit seiner herb verstandesklaren Art, eher wie
ein Spreeathener denn als Pfälzer an, und im
Vergleich mit den glühenden Farbensträußen
Schuchs erscheint seine Palette mit den oliv-
grauen und grünen Tönen von fast monochromer,
aber dadurch nicht minder delikater Harmonie.
Das Bild „Blick aus dem Heidelberger Schloß"
mit dem feinen Spiel des reflektierten Lichtes
an der Fensterwand, ein Gegenstück des Darm-
städter Exemplars, nur ohne den Hund (S. 382),
ist gleich wie das „Waldinnere mit schwar-
zem Vogel" eine Symphonie in Blaugrün und
in der Wahl des Sujets zugleich ein schlagender
Beweis für Trübners aller Romantik abholden
Sinn. Nur in dem „Einsamen Trinker" (S. 380),
einem deliziösen Kabinettstück in freilich ruinö-
sem Zustand, einigen sich warme und kühle Töne
zu reicherem Zusammenklang. Neben der etwas
flächenhaften Wirkung mancher Schuchs ent-
faltet Trübner eine hohe Kunst der Raumdar-
stellung, die unter den Werken der Ausstellung
in dem toten Christus (erste Fassung) ihren
Gipfelpunkt erreicht: Von den Wundmalen des
linken Fußes und der linken Hand aus wird das
Auge mit magischer Gewalt in die Tiefe ge-
zogen, bis der Blick auf dem auffallend edlen
Dulderhaupte ruht, und hinwiederum bricht der
breite Strom des quer über den Körper fließen-
den Linnens die Gewalt der rückwärts fließen-
den Linien, mit ihnen sich zu ruhiger Einheit
bindend. Ein Werk ohne Rivalen in deutscher
Kunst und nach sechsunddreißig Jahren noch
auf der Wanderschaft! Mit ihm ringt um die
Palme das Hof meist erbildnis, jenes Wunder,
in dem ein einundzwanzigjähriger (!) Jüngling
den Inhalt eines ganzen Lebens in erschöpfen-
der Charakteristik auf die Leinwand bannte.

Nehmen Schuch und Trübner ihre Ausgänge
von Leibi, um sich mit voller Entfaltung ihrer
Persönlichkeit immer mehr von ihnen zu ent-
fernen und der Kunst neue Wege zu weisen,
so repräsentieren Theodor Alt und Rudolph
Hirth du Frenes die eigentliche Leiblschule,
wenn schon beide ursprünglich Mitschüler Leibis
bei Ramberg waren. Gleich wie Ferdinand Bol
seinem Meister Rembrandt zuweilen fast bis
zu völliger Kongruenz sich nähert, um später
rasch zu verflachen, so haben auch diese unter
dem befruchtenden Einfluß des genialen Freun-
des sich über die eigene Kraft hinaus gesteigert.
Alt allerdings legte bereits 1872 infolge von
Krankheit den Pinsel aus der Hand und so ist

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schwer zu sagen, wie er sich später entfaltet
hätte. Ein Selbstbildnis von lebendigster
Charakteristik in bester Malerei und einen
Studienkopf von erstaunlichem Leben in
leuchtend goldbraunem Ton, ganz Primamalerei,
in Leibis Tupfenmanier, konnte ich gelegentlich
der Ausstellung aus Verwahrlosung retten ; auch
ein Knabenkopf, der Leibi zum Verwechseln nahe
kommt, war auf der Ausstellung zu sehen, wäh-
rend das hier wiedergegebene „Jünglings-
bildnis" in abweichender Technik besonders
durch die Kraft des Ausdruckes fesselt (S. 368).
Hirth hat in den Bildnissen Schuchs (Münchner
Pinakothek) und Leibis (Privatbesitz) sich an die
Seite seines Meisters gestellt und in dem großen
Stilleben „Flieder- und Klatschrosen"
(S. 386) ein Werk von höchster malerischer
Kultur — beiläufig ein großartiges Galeriestück
— geschaffen; auch das Bildnis „von Krause"
ist ein großzügig monumentales Werk, aber in
den späteren Arbeiten herrscht große Ungleich-
heit bei vielfach schwankender Technik. —

Man weiß, wie hoch die Landschaftskunst
Johannes Sperls von seinem großen Freunde
geschätzt war. Die Ausstellung bekräftigte im
ganzen dies Urteil und läßt in dem Landschaf-
ter Sperl einen Künstler von großer Ehrlichkeit,
selbständigem Blick und konsequenter Ent-
wicklung erkennen, so wenig sie uns für den
Figuristen einnehmen wird ; mag auch z. B. die
große Brautschmückung im Beiwerk schönes
enthalten, — das Helldunkel des Raumes, der
Blick durch das Fenster in das Gärtchen, —
die Mädchen sind puppig und ohne Leben;
gar süß konventionelle Geschöpfchen sind des-
gleichen die „Kinder mit Gänsen". Auf das
Genre folgen die Landschaften aus der Leibi-
zeit (s. Abb. S. 367) mit bedeutsamer Figuren-
zugabe in einem dunkeln, etwas schweren
Courbetschen Grün, die uns noch heute er-
staunlich frisch anmuten, weil sie durchaus auf
Selbstgesehenem basieren. Allmählich verliert
sich auch das figürliche Beiwerk, die Palette
hellt sich auf und Sperl tritt uns (wie in dem
kleinen Juwel „der schattigen Wiese") als ganz
moderner Landschafter entgegen, der mit echt
deutscher Liebe zum Detail im Blumenreichtum
seiner Wiesen schwelgt und doch den Blick fürs
Ganze nicht verliert. Schon hat die Sonder-
ausstellung zum 70. Geburtstag des Meisters
bewiesen, daß auch für ihn, den Stillen und Be-
scheidenen die Zeit des lauten Ruhms er-
füllt ist. - WIESBADEN, ENDE JULI 191 I. V.GR.
 
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