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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 28.1911

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Servaes, Franz: Richard Teschner - Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7380#0406

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Richard Teschner— Wien.

RICHARD TESCHNER -WIEN.

Radierung; »Prager Brückentürme«

punkten — ohne dennoch den Eindruck des
Gewaltsam - Willkürlichen, des Unorganisch-
Durcheinandergesteckten zu erwecken. Dafür
ist der stilistische Wille in Teschner zu klar und
selbstbewußt ausgeprägt. Betrachten wir etwa
seine beiden Ölgemälde „Felsentor" und „See-
schloß". Da ist zunächst der charakteristische
Biedermeierzug des von Teschner sehr geliebten
Eirundformates. Mit welcher Systematik aber
wird diese scheinbare Zufälligkeit ausgebeutet
und geradezu zum logischen Stilprinzip erhoben!
So oder so läuft beinahe alles in diesen Bildern
auf die Eiform hinaus. Sowohl die Seebrücke
als der Felsenbogen bringen mit Nachdruck
diese Grundform zu erneutem Anschlag. Dann
aber wiederholt sie sich auf beiden Bildern in
offenkundigen oder versteckten Wiederho-
lungen. Beim „Felsentor" hat zunächst das
Brückentempelchen ein halbeiförmiges Dach,
das genau in der mittleren Längsachse steht.
Dann aber wiederholen die unteren Brücken-
bogen und nicht minder auch die Baumformen
in freier spielerischer Form das thematische
Motiv, und selbst der sich emporschlängelnde

Serpentinenweg strebt wiederholt in die Eirund-
form hinein. Noch strengere Korresponsion
herrscht im Seeschloßbild. Daß hier das obere
Drittel durch die wagerecht laufende Uferlinie
abgeschnitten ist, wirkt direkt als kontrastie-
rende Pikanterie. Sonst ist alles, und zwar
abermals genau nach der Mittelachse, in ge-
schweiften Bogenlinien angeordnet. Schon die
Wolken über den Bergen türmen sich bogen-
artig empor. Die beiden Hängeweiden rechts
und links bilden zwei genau abgemessene Bogen-
pendants. Und die Brücke mit ihrem Spiegel-
bild malt ein volles helles Eirund mitten in die
dunklere Umgebung. Das möchte pedantisch
wirken, würde nicht die Eiform unten durch
eine vorwitzig einschneidende Kahnspitze sanft
durchbrochen. Dieser Kahn ist ein kleiner Japo-
nismus, der nebst ein paar anderen unauffäl-
ligeren Symmetriestörungen, die Freiheit der Er-
findung innerhalb der Mathematik dieser Stil-
komposition wiederherstellt. Bei der freieren
Anordnung des Felsentor-Bildes war dieses
minder nötig. Doch übernehmen hier die lusti-
gen Staffagefigürchen die gleiche Funktion. —

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