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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 28.1911

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Servaes, Franz: Richard Teschner - Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7380#0412

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Richard Teschner— Wien.

RICHARD TESCHNER—WIEN.

Dekorativer Fries: »Böhmischer Wochenmarkt«

prickelnden Einfällen, in den Bildillustrationen
zum „Tobias Immerschneller". Was die wirk-
lichkeithaschende Beobachtung nur sehr un-
vollkommen festzuhalten vermag, die blitz-
schnelle Erscheinung vorüberhuschender Be-
wegungen, das steht hier in einer mit inneren
Vorstellungen erfüllten Phantasie wie selbst-
verständlich-hingeschriebenda. Hier fließtauch
die Quelle für Teschners sehr vielversprechende
Theaterbegabung. Die Stilkraft ist das eine, die
spielend schaffende Raumphantasie das andere.
Vor allem für Stücke von märchenhaftem Cha-
rakter, wie „PelleasundMelisande", vermöchte
ich mir kaum einen glücklicheren Bühnenaus-
statter zu denken als Teschner. Hier liegt viel-
leicht für diesen Künstler eine bedeutende Zu-
kunftsaufgabe.

Phantasie und Stilkraft — immerhin, da gibt's
heute manche, die diese Kombination in mehr
oder weniger hoher Stärke und glücklicher Ver-
mischung aufzuweisen haben. Um das Aller-
persönlichste von Teschners Künstlernaturell zu
vollenden, mußte noch eine dritte Gabe hinzu-
kommen, eine Charaktergabe : humorvolle Ge-
mütlichkeit. Das hat wohl mit dem Spezifisch-
Artistischen nicht viel mehr zu tun — aber der
Himmel verhüte, daß wir eine lebendige Künst-
lerpersönlichkeit, in der immerhin doch auch
ein Mensch verborgen steckt, als einen bloßen
kalten Mechanismus zur Fabrikation von Kunst-

werken betrachten! Die ganz-feinen Kunst-
kenner geben sich zwar gern den Anschein,
als ob sie vom Menschlichen im Künstler nicht
viel hielten, als ob dieses gleichsam nur so der
unvermeidliche Erdenrest wäre, über den man
am besten mit Stillschweigen hinwegginge.
Und es mag ja vielleicht auch Künstler geben,
die bei einer derartigen Betrachtungsweise
gewinnen. Richard Teschner freilich, mit Zagen
sei's gestanden, gehört nicht zu diesen. Er
bringt in seine künstlerischen Schöpfungen —
sicherlich ganz unbewußt und unwillkürlich —
auch einen Vorrat von liebenswürdiger Mensch-
lichkeit hinein, der ihnen für diejenigen, so
darauf acht haben, erst den letzten und feinsten
Schliff verleiht. Ich habe dafür das Wort „ Ge-
mütlichkeit" gebraucht, und ich wüßte mir wirk-
lich kein besseres. Es ist das diejenige Kraft,
die der Phantastik die Verschrobenheit, der
Stilisiertheit die Kälte nimmt, ein warmes,
feines, unsichtbares Fluidum, das die Werke
durchzieht und das im Betrachter das Gefühl
der Behaglichkeit auslöst. Betrachten wir noch
einmal das „Felsentor" ! Was Stilgefühl und
Phantasie daraus geboren haben, das ist ja
gewiß sehr schön und ist auch die Hauptsache.
Es ist jedenfalls das Achtenswerteste an der
ganzen Schöpfung. Aber darum brauchten wir
sie noch nicht liebzugewinnen. Es ist aber
seltsam, je öfter wir das Bild betrachten, umso-

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