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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Georgi, Walter: Frühjahrs-Ausstellung der Akademie der Künste Berlin 1926
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0314

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Frühjahrs-Ausstellung der Akademie der Künste, Berlin 1926.

gaben von staatlichen Museen und Privaten hat
man neben Meisterwerken der französischen
Malerei des vorigen Jahrhunderts Arbeiten von
Wilhelm Leibi, Adolph von Menzel, Fer-
dinand Ray ski, Hans Thoma und Wilhelm
Trübner ausgestellt. Der empfindsame Be-
schauer fühlt und erkennt den Weg, den diese
Bahnbrecher deutscher Malerei gegangen sind.
Er kannte nicht den Bluff, er führte über den
eisernen Fleiß kritischen Schaffens zu dem
hohen Ziel, dem das Erlebnis vorausging und
seine Erfüllung in der Harmonie des Gestaltens
fand. Darum ist dieser Ehrensaal eine dringende
Mahnung an die künstlerische Jugend der
Gegenwart. Nur wer auf diesen Weg zurück-
findet, wird seinem Volke Führer sein und die
kulturelle Fortentwicklung entscheidend beein-
flussen können.

Unter den Künstlern, die unbeirrt von der
Tagesmode ihren Weg gehen und mit Erfolg um
die Einheit in ihrem Werke ringen, ist vor allem
Karl Hof er zu nennen. Auch in dieser Aus-
stellung zeigt er wieder Vortreffliches. Aus dem
erdrückenden Traum seiner Masken und Ge-
sichte entwickelt er sich immer mehr zu einem
Maler innerlich ausgeglichenen Lebens. Die
Negerfrauen, die er unter der Bezeichnung
„Chezle Duc" gibt, sind voll innerer Bewegung,
vielleicht Hofers reifstes Werk. Trotz stumpfer
Farben geht eine malerische Lebendigkeit von
ihnen aus, die durch ein geschickt angebrachtes
Orange, Grün und Rot gegen das dunkle Braun
der Körper noch erhöht wird. Auch Willy
Jaeckel folgt wieder seinen angeborenen Kräf-
ten, die ihn als Maler zu stärkeren Leistungen
befähigen als seine Graphik mit philosophischem
Einschlag, der er eine Zeitlang huldigte. Sein
Bildnis der Geschwister Wilke, das in flüssigen
Farben hingeworfen ist, wirkt wie aus einem
Guß. Die Zweiheit der Gestalten verschmilzt
in einer höheren Einheit zu einer Bildwirkung,
die nur eine starke künstlerische Kraft erreicht.
Auch sein sitzender weiblicher Akt ist eine
malerische Leistung von delikatem Reiz. Wenn
auch nicht von gleicher überzeugender Stärke,
aber voll ehrlichen Strebens sind die biblischen
Schilderungen Paul Plontkes und der farbig
vortrefflich abgestimmte „Herbstabend" von
Wolf Röhricht. Der junge Alfred Birkle
leistet Gutes, wenn er das Figürliche im großen
Format meidet und sich auf seine kleinen, fein
empfundenen Landschaften beschränkt. Sie
zeigen die Richtung einer gesunden malerischen
Entwicklung. Alfred Partikel erfreut wieder
durch die bukolische Lyrik, in die er, jetzt in
größerem Format Figuren und Landschaft hüllt.
Auf der gleichen Höhe stehen Ludwig Dett-

manns „Frühlingslandschaft" und Max Neu-
manns „Spanisches Fischerdorf", der wie ein
moderner William Turner wirkt. Im übrigen ist
die in der Ausstellung gezeigte Landschafts-
malerei meist wenig erfreulich. In der Haupt-
sache gibt man Reiseerinnerungen aus dem Sü-
den wieder, die alles andere als ein Eindringen
in das Wesen der Landschaft bedeuten. Es
sind farbige Momentaufnahmen, die über die
Oberfläche des Geschauten nicht hinausgehen.
Auch die Porträtmalerei bewegt sich meist auf
der gleichen Linie. Nur Max Oppenheimers
Bildnis der „Orska" gibt mehr als eine äußer-
liche Darstellung. Es ist Vivisektion. Mit einer
tierhaften Beweglichkeit löst sich die Künstlerin
aus dem flockigen Grau des Hintergrundes, voll
prickelnder Sinnlichkeit und dunkeler Rätsel.
Vergeistigte Malerei in höchster Vollendung!
Daß Max Liebermann in seinen lebendigen
Porträts noch immer die Jugendfrische des Mei-
sters offenbart, ist ebenso wenig erstaunlich
wie die qualitative Höhe, auf der sich die älteren
Stützen der Akademie wie Max Slevogt,
Ulrich Hübner, Philipp Franck, Arthur
Kampf, Emil Orlik und E. A.Weiß bewegen.
Auf einige gute Blumenstücke und Stilleben
Franz Heckendorfs, Bruno Krauskopfs,
Schmidt-Rottluffs und Heinrich Nauens
sei noch hingewiesen. Gert Heinz Wollheim,
der sich im vorigen Jahre mit einer vielver-
sprechenden Arbeit im großen Format einge-
führt hatte, enttäuscht diesmal. Zwar hat er
das Riesenformat in der „Verhimmlung des
Schwimmfestes" beibehalten und sucht hier-
durch die Totalität des Seins zu erfassen, aber
die Vergeistigung hält in der Häufung des Fi-
gürlichen nicht gleichen Schritt mit der Größe
des äußeren Umfangs. So entbehrt die Leistung
trotz malerischer Qualitäten der inneren Größe
und wirkt flach und gezwungen. — Auf die
große Menge der Mittelmäßigkeiten einzugehen,
verlohnt sich nicht an dieser Stelle. Es ist zu
hoffen, daß die Akademie bei ihrer nächsten
Schau einen strengeren Maßstab an ihre Mit-
glieder und Freunde legen wird.

Die plastischen Leistungen, die die Ausstell-
ung in diesem Jahre zeigt, sind im Durchschnitt
gewertet, erfreulicher als die der Maler. Es ist
wohl ein Zeichen der allgemeinen wirtschaft-
lichen Lage, wenn sich auf dem Gebiete der
Plastik der Künstler wieder mehr der Porträt-
büste und der Kleinplastik zuwendet, statt große
monumentale Gruppen zu schaffen. Gerade das
plastische Bildnis ist der beste Prüfstein des
Könnens. An Materialbehandlung und Charak-
terisierungsgabe stellt es die höchsten Anforde-
rungen, wenn es als Kunstwerk gewertet werden
 
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