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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Urzidil, Johannes: Schöpferische Kunstbetrachtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0326

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Schöpferische Kunstbetrachtung.

PROF. HEINR. NAUEN.

MIT GENEHMIGUNG I>IiI< GAl.liKIE FLECHTHBIM

»STILLEBEN:

ziationskraft des Kunstwerkes, sondern immer
auch auf die Assoziationsfähigkeit des Betrach-
ters ankommt, die nicht nur durch Temperament
und Bildung verschiedener Individuen, sondern
auch innerhalb eines Individuums mit dessen
Stimmungen variiert, kann niemals von einem
Kunstwerk behauptet werden, daß es absolute
Geltung besäße. Wenn wir dennoch den Aus-
druck „absolute Kunst" bisweilen anwenden,
so wollen wir damit jene Kunstwerke bezeich-
nen, welche bei der überwiegenden Mehrzahl
der Betrachter mehr oder weniger ähnliche
Assoziationsketten hervorzurufen scheinen.
Sehen wir von den bestimmenden persön-

lichen und historischen Charakteristika des
Künstlers und von der labilen Assoziations-
fähigkeit des Betrachters ab, so finden wir inner-
halb des Kunstwerkes drei große Assoziations-
Gruppen: die des Materials, die des Themas,
die des Verhältnisses zwischen Material und
Thema, das heißt die der Form.

Jede dieser Assoziations-Gruppen an sich,
ebenso wie jede in ihnen enthaltene Einzel-
assoziation assoziiert dualistisch, d. h. ebenso
in der Richtung zur Realität wie in der Richtung
zur Idee. Die Form selbst ist die subtilste Asso-
ziationsquelle, die nur den feinen Erkennern
zugänglich ist. Denn die Form ist ja das eigent-

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