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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Ritter, Heinrich: Lackmöbel und Verandamöbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0343

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»SPIEGEL, KAKTEEN STANDER«

ENTWURF: KARL BERTSCH

LACKMÖBEL UND VERANDAMÖBEL

Sehen wir uns zunächst einige der Veranda-
möbel an. Gesellschafter warmer Sommer-
abende und heiterer, besonnter Nachmittage in
einer Loggia oder auf einer Veranda, die über
einem buntblumigen Garten schwebt. Was tut
man da? Man liegt im Liegestuhl, man braucht
einen leichten, kleinen, bequemen Tisch für die
Teetasse, das Buch und den Aschenbecher. Man
braucht auch Tische oder Schemel oder sonstige
Behälter für Blumen- und Pflanzentöpfe. Die
Deutschen Werkstätten haben sich der Aufgabe,
diese Gegenstände hübsch und ansprechend zu
formen, angenommen. Sie haben es auf man-
cherlei Weise angegriffen. Die Ergebnisse sind
sehr reizvoll. Kein Wunder, denn ein solcher
Verandatisch z. B. hat ja seine ganz besonderen
Existenzbedingungen. Er soll sehr verschiede-
nen Zwecken dienen. Er muß geschickt und
anstellig, leicht und praktikabel sein. Er nimmt
fast von selber etwas vom Reiz der behelfs-
mäßigen, der improvisierten Dinge an. Manch-
mal wird, beim Liegen z. B., eine niedere Ab-
stellfläche verlangt, manchmal eine höhere. Es
soll überhaupt bei möglichst geringer Raumver-
drängung möglichst viel Fläche vorhanden sein.
Und dann soll der Tisch leicht wieder in sich
verschwinden können. Wie werden wir diesen
verschiedenartigen Anforderungen gerecht?.

Die Abbildungen geben Auskunft. Eine Lö-
sung ist die, dem Tisch zwei Stockwerke zu
geben: eine obere Auflegeplatte, darunter eine
gleich große zweite. Gut; aber die zweite kön-
nen wir um 200 Prozent vergrößern, indem wir
ihr (Abb. S. 334) an allen vier Seiten eine be-
wegliche Klappe anfügen. Die liegt gerade in
gleicher Höhe mit der Hand, die lässig auf der
breiten Lehne des Liegestuhls ruht. Ein Griff,
und die Teetasse, das Buch, in dem wir weiter
lesen wollen, ist in den Fingern. Die Tische auf
Seite 333 setzen den oberen Aufbau nach chine-
sischer Art kleiner auf die untere Platte und
machen diese zur Hauptsache. Wieder andere
Tische können sich nach Art einer Harmonika
verlängern, verdreifachen, um nach Gebrauch
wieder bescheiden unter die oberste Platte zu-
rückzukriechen. Also eine ganze Reihe von
Lösungen, die alle gleich praktisch, bequem und
ergiebig sind. — Auch sonst: Sind diese nied-
rigen, aus chinesischer Welt herübergenomme-
nen Schemel für Blumentöpfe nicht reizend?
Sitzen die Blumen nicht auf ihnen wie die klei-
nen ABC-Schützen auf ihren Bänkchen? In
ihnen wie auch in den Sesseln und Liegestühlen
ist ein heiterer, freundlicher Geist, bald leichter,
bald schwerer geprägt. Man merkt, es ist an
diesen Dingen mit Liebe geformt worden.

XXIX. August 1926. 6*
 
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