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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 69.1931-1932

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Strübing, Edmund: Wie Xaver Fuhr ein Maler wurde
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https://doi.org/10.11588/diglit.7203#0045

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Endlich, nach langem zähen Arbeiten, kommt
die Befreiung. Nachdem auch der letzte fremde
Eindruck — Chagall — verarbeitet ist, entstehen
die große „Rheinbrücke" und „Der Strom", zwei
Bilder, in denen Fuhr das Schwarz als Farbe ent-
deckt. Sie leiten die Folge der ganz eigenen Ar-
beiten ein. Aus dieser Zeit stammt das Aquarell
auf S. 35 und das Bild „Bergkirche'auf S. 37.

Diese Entwicklung eines jungen Arbeiters zum
freien, selbständig schaffenden Künstler wäre an
sich nicht so interessant, daß sie ausführlich er-
zählt werden müßte. Sie läßt aber Eines deut-
lich erkennen: die tiefe innere Verbundenheit
der so abwegig anmutenden Bilder Fuhrs mit
dem Besten, was die letzte Generation an Bil-
dern geschaffen hat. Daß der junge Künstler —
Fuhr wird in diesem Herbst 32 Jahre alt — da-
bei schließlich seine eigene Ausdrucksform ge-
funden hat, darf ihm nicht als „Manier" vorge-
worfen werden, denn von nichts ist der Maler
weiter entfernt, als von dieser stets mit dem ne-
gativen Begriff der Routine verbundenen inneren
Starrheit. Er baut und bastelt an seinen Bildern
herum, er überstreicht, kratzt ab und läßt nichts
gelten, was ihm nicht bis ins Letzte gefügt und

verankert scheint. Wohl weiß auch Fuhr, was
„Manier" heißt: die Kritik bezeichnete seine Bil-
der als große graphische Arbeiten und sprach
von einem Mangel an Farbgefühl; seine Antwort
darauf war ein Bild, das er in wenigen Stunden
heruntermalte, ein Seehafen von unglaublichem
Schmelz der Farbe, schimmernd und leuchtend, ein
Bild, um das sich schon viele Liebhaber bemüht
haben, die es zufällig bei ihm zuhause gesehen ha-
ben. Aber ergibt diesen „Pillkall", wie er das Bild
mystifizierend signiert hat, nicht heraus: es ist
ja für ihn nur ein Scherz gewesen, mit dem er die
Einwände der Kritik entkräften wollte. Unentwegt
malt er weiter seine herben, auf Grau und Schwarz
gestellten Bilder, aus denen ganz leicht und locker
irgendwo ein leichtes Gelb, ein Ziegelrot heraus-
leuchtet, eine farbige Stelle, die das in sich un-
endlich reich modulierte Schwarz, Braun oder
Grau noch ernster und herber erscheinen läßt.

Und diese Farben sind gefesselt in Formen, die
sich straff und unerbittlich ineinanderspannen.
Ganz klare, durchsichtige Kompositionen weiß
Fuhr zu finden: ein Winkel, der spitz in die Bild-
fläche einschneidet, eine Parabel, die scheinbar
willkürlich von einer quer durch das Bild laufen-

XXXV. Oktober 1931. 5
 
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