AUFNAHME EWALD HOINKIS—BERLIN
»MAX PECHSTEIN MIT GATTIN«
DAS WERK UND SEIN URHEBER
Goethe betrachtete sein dichterisches Schaf-
fen als eine fortgesetzte Lebensbeichte.
Flaubert stellte die Forderung auf, daß das
Kunstwerk ganz von seinem Urheber losgelöst
sein müsse, daß der Urheber völlig hinter seinem
Werk zurückzustehen habe. Welche Anschau-
ung ist die richtigere? Wir neigen heute zweifel-
los mehr dazu, das Kunstwerk in seinem wesens-
mäßigen, physiognomischen Zusammenhän-
gen mit dem Urheber zu betrachten.
Wir sind durchdrungen von der Überzeugung,
daß das Werk die Lebensregung des Urhebers
tief in sich enthalten muß. Wir deuten das Werk
vom Menschen her und wir deuten den Men-
schen von seinem Werk her. Ohne Zweifel stellt
das Werk immer den Urheber dar. Das heißt
natürlich nicht, daß es nur ihn darstelle. Es
faßt auch Zeitbewegungen und Zeitideen in sich,
Gesehenes, Erlittenes, Erfahrenes aller Art;
aber all dies ist im Werk nur so zugegen, wie
der Urheber es aufgenommen, verstanden und
sich angeglichen hat. So bleibt es für unsre
Kunstbetrachtung ein Grundsatz, daß das Werk
und sein Urheber durchgängig auf einander be-
zogen sind und sich wechselseitig erklären.
Aber an jedem Menschen, der in rüstigem
Leben bleibt, ereignet sich ein Prozeß der
Objektivierung. Das ist der Punkt, wo die
Anschauung und die Forderung Flauberts ent-
steht, daß der Künstler hinter seinem Werk zu-
rückzustehen, ja als Person zu verschwinden
habe. Diese Forderung wird nicht auf die Weise
realisiert, daß der Künstler gleichsam unper-
sönlich schafft, daß er im Werk seine Person
verleugnet. Das ist unmöglich. Das kann, wo
es angestrebt wird, nur zu leblosen Abstrak-
tionen und törichten Vergewaltigungen der
eigenen Seele führen. Sondern jene Forderung
realisiert sich durch das immer ernstere Objek-
tiv-Werden des Menschen. Er ist dann immer
noch in seinem Werk zugegen, aber nicht als
das kleine, negative Ich, sondern als Weither-
zigkeit und Selbständigkeit des Gebildes, als
Kraft und freie Größe der Form .... w.M.
»MAX PECHSTEIN MIT GATTIN«
DAS WERK UND SEIN URHEBER
Goethe betrachtete sein dichterisches Schaf-
fen als eine fortgesetzte Lebensbeichte.
Flaubert stellte die Forderung auf, daß das
Kunstwerk ganz von seinem Urheber losgelöst
sein müsse, daß der Urheber völlig hinter seinem
Werk zurückzustehen habe. Welche Anschau-
ung ist die richtigere? Wir neigen heute zweifel-
los mehr dazu, das Kunstwerk in seinem wesens-
mäßigen, physiognomischen Zusammenhän-
gen mit dem Urheber zu betrachten.
Wir sind durchdrungen von der Überzeugung,
daß das Werk die Lebensregung des Urhebers
tief in sich enthalten muß. Wir deuten das Werk
vom Menschen her und wir deuten den Men-
schen von seinem Werk her. Ohne Zweifel stellt
das Werk immer den Urheber dar. Das heißt
natürlich nicht, daß es nur ihn darstelle. Es
faßt auch Zeitbewegungen und Zeitideen in sich,
Gesehenes, Erlittenes, Erfahrenes aller Art;
aber all dies ist im Werk nur so zugegen, wie
der Urheber es aufgenommen, verstanden und
sich angeglichen hat. So bleibt es für unsre
Kunstbetrachtung ein Grundsatz, daß das Werk
und sein Urheber durchgängig auf einander be-
zogen sind und sich wechselseitig erklären.
Aber an jedem Menschen, der in rüstigem
Leben bleibt, ereignet sich ein Prozeß der
Objektivierung. Das ist der Punkt, wo die
Anschauung und die Forderung Flauberts ent-
steht, daß der Künstler hinter seinem Werk zu-
rückzustehen, ja als Person zu verschwinden
habe. Diese Forderung wird nicht auf die Weise
realisiert, daß der Künstler gleichsam unper-
sönlich schafft, daß er im Werk seine Person
verleugnet. Das ist unmöglich. Das kann, wo
es angestrebt wird, nur zu leblosen Abstrak-
tionen und törichten Vergewaltigungen der
eigenen Seele führen. Sondern jene Forderung
realisiert sich durch das immer ernstere Objek-
tiv-Werden des Menschen. Er ist dann immer
noch in seinem Werk zugegen, aber nicht als
das kleine, negative Ich, sondern als Weither-
zigkeit und Selbständigkeit des Gebildes, als
Kraft und freie Größe der Form .... w.M.