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MONOGRAMM-ENTWURF
Z.v.L.; D.K.U.D.; H.V.
KATE LUISE ROSENSTOCK
KULTUR- UND KUNST-BILANZEN
VON DER BEDEUTUNG DER KUNST
Kultur-Bilanzen, im besonderen Kunst-
Bilanzen bilden einen charakteristi-
schen Zug in der Physiognomie unserer
Zeit. Sie unterscheiden sich von Bilanzen
geschäftlicher Art, die nur einmal im
Jahre vorgenommen werden, durch ihre
Häufigkeit; es dürfte, wenn man zusam-
menzählt, so ziemlich auf jeden Tag eine
dieser Bilanzen fallen.
Was kommt — besonders in feuilleto-
nistischen Zuspitzungen — dabei in der
Regel heraus: Die Kunst habe für uns an
Wert eingebüßt, sie sei uns nicht mehr
sehr wichtig; mit der Architektur ist
man allenfalls insofern eine Ausnahme zu
machen geneigt, als sie uns Bedürfnisse
der Lebensnotdurft zu befriedigen hat, die
anderen Künste aber kommen schlecht
weg, am schlechtesten die Bildkunst, von
der in jenen Bilanzen meist bemerkt wird,
daß wir auch ohne sie auskämen. Und die
Kunst-Übung — so geht man weiter —
verdeutliche selbst diesen Zustand, indem
sie sich nach der einen Seite, am merk-
barsten in der Musik, zu einer nur ge-
wünschten Nervenreizungen dienen wol-
lenden Amüsier-Kunst verflache, auf
der anderen Seite sich ins rein Artisti-
sche überspitze, zu gewissen Experimen-
talleistungen, an denen Gefallen zu fin-
den ein Reservat des sogenannten Kunst-
Snobs sei, oder an denen unabhängig von
allem Gefallen, nur die Kreise des heu-
tigen Kunst-Aktualitäten-Marktes ein be-
sonderes Interesse nähmen.
Vieles trifft zu: es gibt den „Kunstsnob"
und es gibt einen solchen Kunstmarkt,
der mit Aktualitäten Geschäfte lanciert,
es gibt heute Kunst, die „gemanaget" wird;
und es gibt auch eine Amüsierkunst, auf
jene Reizwirkungen eingestellt, die abge-
nützte oder in Abnützung begriffene Welt-
städter von heute benötigen oder zu be-
nötigen behaupten. Es gibt das alles, wem
sollte es nicht ins Auge fallen. Aber eben
deshalb, weil diese Erscheinungen so ins
Auge fallen, sollte man sich bei allen
Bilanzierungen mit ihnen allein als den
Phänomenen der Oberfläche nicht be-
MONOGRAMM-ENTWURF
CO.; D.v.B.; M.O.
KATE LUISE ROSENSTOCK
MONOGRAMM-ENTWURF
Z.v.L.; D.K.U.D.; H.V.
KATE LUISE ROSENSTOCK
KULTUR- UND KUNST-BILANZEN
VON DER BEDEUTUNG DER KUNST
Kultur-Bilanzen, im besonderen Kunst-
Bilanzen bilden einen charakteristi-
schen Zug in der Physiognomie unserer
Zeit. Sie unterscheiden sich von Bilanzen
geschäftlicher Art, die nur einmal im
Jahre vorgenommen werden, durch ihre
Häufigkeit; es dürfte, wenn man zusam-
menzählt, so ziemlich auf jeden Tag eine
dieser Bilanzen fallen.
Was kommt — besonders in feuilleto-
nistischen Zuspitzungen — dabei in der
Regel heraus: Die Kunst habe für uns an
Wert eingebüßt, sie sei uns nicht mehr
sehr wichtig; mit der Architektur ist
man allenfalls insofern eine Ausnahme zu
machen geneigt, als sie uns Bedürfnisse
der Lebensnotdurft zu befriedigen hat, die
anderen Künste aber kommen schlecht
weg, am schlechtesten die Bildkunst, von
der in jenen Bilanzen meist bemerkt wird,
daß wir auch ohne sie auskämen. Und die
Kunst-Übung — so geht man weiter —
verdeutliche selbst diesen Zustand, indem
sie sich nach der einen Seite, am merk-
barsten in der Musik, zu einer nur ge-
wünschten Nervenreizungen dienen wol-
lenden Amüsier-Kunst verflache, auf
der anderen Seite sich ins rein Artisti-
sche überspitze, zu gewissen Experimen-
talleistungen, an denen Gefallen zu fin-
den ein Reservat des sogenannten Kunst-
Snobs sei, oder an denen unabhängig von
allem Gefallen, nur die Kreise des heu-
tigen Kunst-Aktualitäten-Marktes ein be-
sonderes Interesse nähmen.
Vieles trifft zu: es gibt den „Kunstsnob"
und es gibt einen solchen Kunstmarkt,
der mit Aktualitäten Geschäfte lanciert,
es gibt heute Kunst, die „gemanaget" wird;
und es gibt auch eine Amüsierkunst, auf
jene Reizwirkungen eingestellt, die abge-
nützte oder in Abnützung begriffene Welt-
städter von heute benötigen oder zu be-
nötigen behaupten. Es gibt das alles, wem
sollte es nicht ins Auge fallen. Aber eben
deshalb, weil diese Erscheinungen so ins
Auge fallen, sollte man sich bei allen
Bilanzierungen mit ihnen allein als den
Phänomenen der Oberfläche nicht be-
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