DOI Artikel:
Nemitz, Fritz: Kunst und Nation
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.7203#0107
99
LEOPOLD LEW—PARIS
»PARKWINKEL IM SÜDEN« 1927
KUNST UND NATION
VON DR. FRITZ NEMITZ
Kann man eine internationale Kunst schaffen
oder muß alle Kunst im Mutterboden des
Volkes wurzeln? Ist Kunst eine nationale oder
internationale Angelegenheit?
Nicht nur einzelne Künstler haben über den
Rahmen ihrer Nation hinaus gewirkt, auch die
Kunst als Ganzes hat von jeher Einflüsse anderer
Kulturen aufgenommen. Ein Maler wie Cezanne
hat Europa befruchtet, und die deutsche Malerei
ist ohne französische Einflüsse nicht denkbar.
Von der Frühzeit der Kunst an ist ein fast un-
unterbrochen laufender Prozeß der Aneignung
und Aufnahme fremder Formelemente bemerk-
bar, in der jüngsten Vergangenheit brechen sogar
Formvorstellungen sogenannter primitiver Kul-
turen, afrikanischer und ozeanischer Kunst in die
europäischen Formen ein. Aber diese Einflüsse
wurden, mag es sich um die Gotik, die Renais-
sance, den Impressionismus handeln, durch den
spezifischen nationalen Charakter zu eigenen For-
men umgeschmolzen und mit neuen Inhalten
gefüllt. (Von den Einflüssen primitiver Kunst kann
das nicht behauptet werden, sie waren haupt-
sächlich rein formaler Art, darum konnten sich
auch Bilder und Skulpturen dieser Art nicht
durchsetzen.)
Die Übernahme fremder Elemente, die Beein-
flussung durch andere Kulturen scheint gegen
eine bodenständige, im Boden der Rasse, der
Landschaft verwurzelten Kunst zu sprechen.
Jedoch, wenn dieser oder jener Künstler für
Deutschland dieselbe oder ähnliche Bedeutung
hat wie für das Mutterland, oder wenn ein Fran-
zose und ein Deutscher Cezanne lieben, so be-
weist das nur etwas für das Genie Cezannes und
wenig für die Gemeinsamkeit der beiden. Seine
Bedeutung für die Malerei Frankreichs kann man
erst feststellen, wenn man diese kennt. Seine
LEOPOLD LEW—PARIS
»PARKWINKEL IM SÜDEN« 1927
KUNST UND NATION
VON DR. FRITZ NEMITZ
Kann man eine internationale Kunst schaffen
oder muß alle Kunst im Mutterboden des
Volkes wurzeln? Ist Kunst eine nationale oder
internationale Angelegenheit?
Nicht nur einzelne Künstler haben über den
Rahmen ihrer Nation hinaus gewirkt, auch die
Kunst als Ganzes hat von jeher Einflüsse anderer
Kulturen aufgenommen. Ein Maler wie Cezanne
hat Europa befruchtet, und die deutsche Malerei
ist ohne französische Einflüsse nicht denkbar.
Von der Frühzeit der Kunst an ist ein fast un-
unterbrochen laufender Prozeß der Aneignung
und Aufnahme fremder Formelemente bemerk-
bar, in der jüngsten Vergangenheit brechen sogar
Formvorstellungen sogenannter primitiver Kul-
turen, afrikanischer und ozeanischer Kunst in die
europäischen Formen ein. Aber diese Einflüsse
wurden, mag es sich um die Gotik, die Renais-
sance, den Impressionismus handeln, durch den
spezifischen nationalen Charakter zu eigenen For-
men umgeschmolzen und mit neuen Inhalten
gefüllt. (Von den Einflüssen primitiver Kunst kann
das nicht behauptet werden, sie waren haupt-
sächlich rein formaler Art, darum konnten sich
auch Bilder und Skulpturen dieser Art nicht
durchsetzen.)
Die Übernahme fremder Elemente, die Beein-
flussung durch andere Kulturen scheint gegen
eine bodenständige, im Boden der Rasse, der
Landschaft verwurzelten Kunst zu sprechen.
Jedoch, wenn dieser oder jener Künstler für
Deutschland dieselbe oder ähnliche Bedeutung
hat wie für das Mutterland, oder wenn ein Fran-
zose und ein Deutscher Cezanne lieben, so be-
weist das nur etwas für das Genie Cezannes und
wenig für die Gemeinsamkeit der beiden. Seine
Bedeutung für die Malerei Frankreichs kann man
erst feststellen, wenn man diese kennt. Seine