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GEBHARD DUVE-B:-RL1N
»SILBERNES RAUCHSFRV1CE«
SCHLICHTES SILBERGERÄT
Das moderne Kleingerät sucht sein Heil nur
in der feinen, stillen Form. Kommt es da-
bei zu einer Zurückdrängung des Ornaments,
so liegt darin doch kein Verzicht auf Phan-
tasie und Eigenart. Es gibt schwungvolle und
nüchterne Formen. Jede hat ihren besonderen
„Geist". Die Rundung einer Schale kann groß-
zügig-ausfahrend und auch gemächlich-beson-
nen sein. Die Absetzungen können in einem
fließenden, verschleifenden oder in einem här-
ter skandierenden Duktus gegeben werden. In
all diesen verschiedenen Zügen kann sich Per-
sönliches und Imaginatives ausdrücken. Man
sieht im Gerät den Menschen, der es gemacht
hat, das Gefühl, das seine Formgebung regiert.
Und wenn Menschen Geräte kaufen, so wird
ihre Wahl unter den vielen sich anbietenden
Formen immer auf diejenigen fallen, die das
ihnen bekannteste und adäquateste Menschen-
tum ausdrücken. Man ist heute freilich gegen
den „Ausdruck" im Gerät. Das ist gut, sofern
es sich gegen Ausdrucksspielerei richtet. Man
stellt das Ideal der technischen Formgebung
auf. Das ist gut, insofern es die Individualität
des Herstellers von zuchtlosem, selbstverliebtem
Hervortreten abhält. Aber kann aus Menschen-
hand etwas hervorgehen, das nicht Ausdruck
ist? Selbst die Natur ist ganz mit Ausdruck
angefüllt, und auch angeblich „tote" Dinge, d. h.
solche Dinge, deren Gestalt nicht von bewußter
oder organischer Planung geprägt ist, sind da-
von nicht ausgenommen. Wo und wie ein Mensch
auch arbeitet, immer teilt er sich mit, stellt
sich dar, ruft sein Losungswort in die Welt und
wartet auf Antwort. Die Antwort kommt von
den ihm typologisch Zugesellten, denen es eine
Freude ist, dem Verwandten zu begegnen. Die
Vielheit der Formen, in denen das Kleingerät
sich anbietet, hat daher einen guten Sinn: sie
entspricht, wenn auch nur zu einem Bruchteil,
der Vielheit der Temperamente und Strukturen,
die unter Menschen gegeben ist. Man mag von
da einen Seitenblick auf die moderne Tendenz
zur Standardisierung der Geräte tun. Sie
geht gegen die Pflege der Eigenart, nicht nur
beim Hersteller, sondern auch beim Käufer.
GEBHARD DUVE-B:-RL1N
»SILBERNES RAUCHSFRV1CE«
SCHLICHTES SILBERGERÄT
Das moderne Kleingerät sucht sein Heil nur
in der feinen, stillen Form. Kommt es da-
bei zu einer Zurückdrängung des Ornaments,
so liegt darin doch kein Verzicht auf Phan-
tasie und Eigenart. Es gibt schwungvolle und
nüchterne Formen. Jede hat ihren besonderen
„Geist". Die Rundung einer Schale kann groß-
zügig-ausfahrend und auch gemächlich-beson-
nen sein. Die Absetzungen können in einem
fließenden, verschleifenden oder in einem här-
ter skandierenden Duktus gegeben werden. In
all diesen verschiedenen Zügen kann sich Per-
sönliches und Imaginatives ausdrücken. Man
sieht im Gerät den Menschen, der es gemacht
hat, das Gefühl, das seine Formgebung regiert.
Und wenn Menschen Geräte kaufen, so wird
ihre Wahl unter den vielen sich anbietenden
Formen immer auf diejenigen fallen, die das
ihnen bekannteste und adäquateste Menschen-
tum ausdrücken. Man ist heute freilich gegen
den „Ausdruck" im Gerät. Das ist gut, sofern
es sich gegen Ausdrucksspielerei richtet. Man
stellt das Ideal der technischen Formgebung
auf. Das ist gut, insofern es die Individualität
des Herstellers von zuchtlosem, selbstverliebtem
Hervortreten abhält. Aber kann aus Menschen-
hand etwas hervorgehen, das nicht Ausdruck
ist? Selbst die Natur ist ganz mit Ausdruck
angefüllt, und auch angeblich „tote" Dinge, d. h.
solche Dinge, deren Gestalt nicht von bewußter
oder organischer Planung geprägt ist, sind da-
von nicht ausgenommen. Wo und wie ein Mensch
auch arbeitet, immer teilt er sich mit, stellt
sich dar, ruft sein Losungswort in die Welt und
wartet auf Antwort. Die Antwort kommt von
den ihm typologisch Zugesellten, denen es eine
Freude ist, dem Verwandten zu begegnen. Die
Vielheit der Formen, in denen das Kleingerät
sich anbietet, hat daher einen guten Sinn: sie
entspricht, wenn auch nur zu einem Bruchteil,
der Vielheit der Temperamente und Strukturen,
die unter Menschen gegeben ist. Man mag von
da einen Seitenblick auf die moderne Tendenz
zur Standardisierung der Geräte tun. Sie
geht gegen die Pflege der Eigenart, nicht nur
beim Hersteller, sondern auch beim Käufer.