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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 69.1931-1932

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Wenzel, Alfred: Verhaltenes Gefühl
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https://doi.org/10.11588/diglit.7203#0038

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dietz edzard—paris

gemälde »an der seine«

VERHALTENES GEFÜHL

Es gehört zu den Wesenseigentümlichkeiten
des Kunstwerks: daß es stets „Mitteilung"
sein will, Mitteilung eines Gefühls-Gehaltes, den
sein Schöpfer in der Form der Darstellung weiter-
gibt, auf daß im anderen, im Betrachter, wieder
Gefühle angeregt werden, die den seinen ent-
sprechen. Der Bildner will stets auf irgend eine
Weise zu uns sprechen, indem er sein Eigenes
darbringt, dar-stellt.

In der Art aber, im Grade der Offenheit, mit
der er sein Eigenes, sein Inneres vor uns aus-
breitet, kann sich der Eine vom Anderen unter-
scheiden; es können sich auch ganze „Zeiten"
darin voneinander abheben.

So fällt an der Kunst unserer Tage eine be-
sondere Gefühls verhaltenheit auf, umso deut-
licher, je knapper man eine Kunst wie die der
expressionistischen Jahre etwa daneben hält.
In den Bildern jener Jahre lagen „Seelen" bloß:
gequälte, begeisterte, ekstatisch verzückte, kla-
gend niedergebeugte, trunken taumelnde, — in

aller Unmittelbarkeit ins Bild gegossen und den
Betrachter heiß überströmend. Daneben wirken
die Bilder unserer Tage „kühl". Manche fühlen
sich nicht „angesprochen" von ihnen, sie ver-
missen die „Glut" des Gefühls.

Doch ist diese neue Kunst „seelisch" um nichts
ärmer geworden. Wohl fehlt ihr jene unmittel-
bar intensive Wirkung vielleicht, die jeder Schrei
vor bloßer Rede voraushat, da ein Medium —
das Medium der stärker betonten „Form" — als
Zwischenschicht eingeschoben erscheint; und es
muß ohne weiteres zugegeben werden, daß über-
haupt weniger „Gefühl" mitgeteilt ist. Dafür aber
gibt dieses verhaltene Gefühl dem Ganzen
eine von innen her strahlende Intensität, die als
seelische Kraft nicht weniger packt; sie wirkt
indirekt, der empfindungsfähige Betrachter
empfängt von ihr wohl weniger Erregungen, aber
— weil es sich um ein unprononciertes allgemei-
nes Intensitätsgefühl dabei handelt, — vielleicht
nachhaltigere Anregungen. . . dr. alfred wenzel.
 
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