30
dietz edzard—paris
gemälde »an der seine«
VERHALTENES GEFÜHL
Es gehört zu den Wesenseigentümlichkeiten
des Kunstwerks: daß es stets „Mitteilung"
sein will, Mitteilung eines Gefühls-Gehaltes, den
sein Schöpfer in der Form der Darstellung weiter-
gibt, auf daß im anderen, im Betrachter, wieder
Gefühle angeregt werden, die den seinen ent-
sprechen. Der Bildner will stets auf irgend eine
Weise zu uns sprechen, indem er sein Eigenes
darbringt, dar-stellt.
In der Art aber, im Grade der Offenheit, mit
der er sein Eigenes, sein Inneres vor uns aus-
breitet, kann sich der Eine vom Anderen unter-
scheiden; es können sich auch ganze „Zeiten"
darin voneinander abheben.
So fällt an der Kunst unserer Tage eine be-
sondere Gefühls verhaltenheit auf, umso deut-
licher, je knapper man eine Kunst wie die der
expressionistischen Jahre etwa daneben hält.
In den Bildern jener Jahre lagen „Seelen" bloß:
gequälte, begeisterte, ekstatisch verzückte, kla-
gend niedergebeugte, trunken taumelnde, — in
aller Unmittelbarkeit ins Bild gegossen und den
Betrachter heiß überströmend. Daneben wirken
die Bilder unserer Tage „kühl". Manche fühlen
sich nicht „angesprochen" von ihnen, sie ver-
missen die „Glut" des Gefühls.
Doch ist diese neue Kunst „seelisch" um nichts
ärmer geworden. Wohl fehlt ihr jene unmittel-
bar intensive Wirkung vielleicht, die jeder Schrei
vor bloßer Rede voraushat, da ein Medium —
das Medium der stärker betonten „Form" — als
Zwischenschicht eingeschoben erscheint; und es
muß ohne weiteres zugegeben werden, daß über-
haupt weniger „Gefühl" mitgeteilt ist. Dafür aber
gibt dieses verhaltene Gefühl dem Ganzen
eine von innen her strahlende Intensität, die als
seelische Kraft nicht weniger packt; sie wirkt
indirekt, der empfindungsfähige Betrachter
empfängt von ihr wohl weniger Erregungen, aber
— weil es sich um ein unprononciertes allgemei-
nes Intensitätsgefühl dabei handelt, — vielleicht
nachhaltigere Anregungen. . . dr. alfred wenzel.
dietz edzard—paris
gemälde »an der seine«
VERHALTENES GEFÜHL
Es gehört zu den Wesenseigentümlichkeiten
des Kunstwerks: daß es stets „Mitteilung"
sein will, Mitteilung eines Gefühls-Gehaltes, den
sein Schöpfer in der Form der Darstellung weiter-
gibt, auf daß im anderen, im Betrachter, wieder
Gefühle angeregt werden, die den seinen ent-
sprechen. Der Bildner will stets auf irgend eine
Weise zu uns sprechen, indem er sein Eigenes
darbringt, dar-stellt.
In der Art aber, im Grade der Offenheit, mit
der er sein Eigenes, sein Inneres vor uns aus-
breitet, kann sich der Eine vom Anderen unter-
scheiden; es können sich auch ganze „Zeiten"
darin voneinander abheben.
So fällt an der Kunst unserer Tage eine be-
sondere Gefühls verhaltenheit auf, umso deut-
licher, je knapper man eine Kunst wie die der
expressionistischen Jahre etwa daneben hält.
In den Bildern jener Jahre lagen „Seelen" bloß:
gequälte, begeisterte, ekstatisch verzückte, kla-
gend niedergebeugte, trunken taumelnde, — in
aller Unmittelbarkeit ins Bild gegossen und den
Betrachter heiß überströmend. Daneben wirken
die Bilder unserer Tage „kühl". Manche fühlen
sich nicht „angesprochen" von ihnen, sie ver-
missen die „Glut" des Gefühls.
Doch ist diese neue Kunst „seelisch" um nichts
ärmer geworden. Wohl fehlt ihr jene unmittel-
bar intensive Wirkung vielleicht, die jeder Schrei
vor bloßer Rede voraushat, da ein Medium —
das Medium der stärker betonten „Form" — als
Zwischenschicht eingeschoben erscheint; und es
muß ohne weiteres zugegeben werden, daß über-
haupt weniger „Gefühl" mitgeteilt ist. Dafür aber
gibt dieses verhaltene Gefühl dem Ganzen
eine von innen her strahlende Intensität, die als
seelische Kraft nicht weniger packt; sie wirkt
indirekt, der empfindungsfähige Betrachter
empfängt von ihr wohl weniger Erregungen, aber
— weil es sich um ein unprononciertes allgemei-
nes Intensitätsgefühl dabei handelt, — vielleicht
nachhaltigere Anregungen. . . dr. alfred wenzel.