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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 69.1931-1932

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Zweckarbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7203#0330

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322

ZWECKARBEIT. Man verkündigt heute das
Lob der Zweckarbeit. Man fordert von allem
Gestalten des Menschen die strikte Einstellung
auf den Zweck, vom Möbel, vom Kleingerät,
beinahe auch vom Kunstwerk.

Macht man sich da nicht falsche Vorstellungen
von der Bedeutung, die das Zweckdenken beim
Menschen haben kann? Ist nicht letzten Endes
doch in allem, was der Mensch gestaltet — auch
in dem, was er zweckhaft gestaltet — das Wal-
ten freier Kräfte das Entscheidende? Gut,
man denke und gestalte zweckhaft — aber man
ehre die freien Kräfte, die dabei doch die eigent-
lichen Urheber des Gebildes bleiben. Man rede
nicht vom Sachlichkeitsdenken und vom Zweck-
streben, als seien sie die Kräfte, die schaffen.

Man bleibe sich klar darüber, daß sie nur Modi-
fizierungen, Abbiendungen, negative Bestim-
mungen der Gestaltungsarbeit sein können. Wo
eine gute Glasschale entsteht, da verdankt sie
ihr Leben, ihre Wohlgeborenheit dem Umstand,
daß im Hersteller die Idee, das Urbild eines
Fassenden — eines „Gefäßes" — lebendig war,
nicht dem Zweckstreben an sich. Zweckdenken
ist im höchsten Falle ein wohltätiges, aber im
Grunde nur negatives Wegnehmen eines Über-
flusses von dem positiven Geschehen der Ge-
staltung, eine Reinigungsprozedur — nicht aber
Erzeugungskraft selbst. Das Schaffen, das Grün-
den und Stiften leistet die lebendige Ideen-
schau, verbündet mit Liebeskräften, die tiefer
liegen als alles, was bloß Bewußtsein ist. —

MAURICE DE VLAM1NCK. GEMÄLDE »BLUMEN IN HOHER VASE«
 
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