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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 69.1931-1932

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Luthmer, Else: Was bleibt dem Künstler?: Ein Nachwort zu der Ausstellung "Vom Abbild zum Sinnbild"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7203#0092

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max beckmann. gemälde » zigeunerin c

Corinth und Nolde mögen in hiesigen Kunst-
handlungen oder auf sonstigen Ausstellungen
sichtbar gewesen sein. Noch niemals aber waren
dem schaffenden Künstler so klar und übersicht-
lich typische Werke der großen Vorgänger vor
Augen geführt. Und suchte schon das große Laien-
publikum an Hand von sachverständiger Führung
in ernster Auseinandersetzung Klarheit über das
Gebotene, wieviel mehr mußte es dem Künstler
ein Ansporn sein, nicht nur lernend die Arbeiten

der großen Kollegen immer und immer wieder
zu betrachten, sondern an ihnen vor Allem zur
Erkenntnis wirklich bleibender künstlerischer
Werte zu gelangen.

Hier sieht der selbstschaffende Künstler ja viel-
leicht noch anders als der Kunsthistoriker oder
der Laie: subjektiver, weil er die Bilder als ein
Stück seiner selbst empfinden wird, aber auch
intuitiver die Absichten der Meister erfassend.
Unwillkürlich nachschaffend bei der Betrachtung,
wird er dem ursprünglichen Schöpfungsakt des
Werkes näher kommen. Der historische Be-
trachter wird immer dazu neigen, die Bilder in
Zusammenhang mit dem Weltgeschehen zu
bringen, ihre Entstehung einzuordnen in die auf-
und absteigenden Kurven der Zeitabläufe, er muß
sie vielleicht dem Laien derart in ein Weltbild
einordnen, um sie ihm nahe zu bringen.

Der Künstler aber spürt das lebende Wesen
im Bilde, den Herzschlag dessen, der es ge-
schaffen hat, und damit immer von Neuem die
unendliche Beglückung des Schöpferischen. Und
dieses Erlebnis wird zum Maßstab des Bleibenden.

In wenigen Ausstellungen war es dem Künstler
vergönnt, so klar zu erkennen, worauf es an-
kommt. Nicht in der Erkenntnis zwangsläufiger
Entwicklungen, von Manets Anfängen zu den
letzten impressionistischen Auflösungen in Monets
späten Bildern, vom Einsetzen expressionistischer
Versuche, bis zu den im Raum verteilten ab-
strakten Bildelementen und den Wiederanfängen
bildhaften Geschehens, liegt für ihn das große Er-
lebnis. Es liegt für ihn in dem Verstehen und Be-
greifen, daß wirkliche Größe, innerlich unabhängig
von der umgebenden Welt, in bescheidener An-
dacht oder auch im Furor der Besessenheit ge-
schaffen hat! Daß niemals aus voreingenomme-
nem Wissen große Werke entstehen konnten. Daß
letzten Endes höchste Kunst eine Angelegenheit
der Gesinnung ist und diejenigen zur Unsterb-
lichkeit gelangten, die reinen Herzens waren!

Mit der Vermittlung solcher Erkenntnisse hat
diese gute und wertvolle Ausstellung nicht nur
einen Weg gebahnt zwischen Künstler und Pub-
likum, sondern sie mußte auch im Künstler den
Glauben befestigen, daß sein Tun ein notwendiges,
daß er nicht der arme Narr ist, der außerhalb
seiner Zeit steht und schafft, und daß sein Schaffen
unzerstörbare Werte für diese und kommende
Generationen in sich trägt, wenn er nur sich
selbst treu bleibt. Es bleibt zu wünschen, daß in
dem Augenblick des Zusammenbruchs so vieler
materieller Werte, eine Revision dessen, was uns
an geistigem Gut verblieben ist, daran erinnert,
daß der Mensch nicht vom Brot allein lebt und
daran gemahnt, daß manche Schätze erst wieder
erworben werden müssen, um zum wahrhaften
Besitz zu werden........... else luthmer.
 
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