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R. KNÖRLEIN—
WIEN. »ROTE
TERRAKOTTA«
PHOTO: ILKA
FIGÜRLICHE KERAMIK VON RUDOLF KNÖRLEIN —WIEN
Die Wiener dekorative Keramik hat durch
Dagobert Peche Impulse erhalten, die auch
heute noch, fast ein Jahrzehnt nach dem frühen
Tode des großen Kunstgewerblers, deutlich zu
spüren sind. Er war es, der den Zug zum Ange-
lockerten, zum Krausen und Flackernden in die
Modellierung der Figuren einführte, und auf seine
ornamentale Phantasie geht es zurück, wenn seit-
her mit Vorliebe die Menschengestalt mit Zier-
formen durchsetzt wird. Es war nur folgerichtig,
daß seine Anregungen meist von Frauen aufge-
griffen und weitergeführt worden sind. Denn seine
Gestaltungsprinzipen kamen der weiblichen An-
lage zutiefst entgegen. Im Rahmen dieser Bewe-
gung trat vor einigen Jahren der junge Rudolf
Knörlein an die Öffentlichkeit. Er brachte natür-
liche Begabung mit und verfügte als Schüler Ro-
bert Obsiegers über eine gesunde fachliche Vor-
bildung, die durch praktische Tätigkeit in verschie-
denen gewerblichen Betrieben Österreichs und
Deutschlands gestützt und erweitert worden war.
Eine gewisse Aufgeschlossenheit für den Reiz
preziöser Formen machte es ihm an sich leicht,
den einmal angeschlagenen Ton aufzugreifen.
Aber es mischte sich von vornherein eine eigene
Note in seine keramische Produktion. Vor allem
steht er dem weiblichen Element der neuen Wie-
ner Keramik reserviert gegenüber. Er nimmt es
an — aber mehr in den Stimmungswerten, als
im Formalen. Unverkennbar ist bei ihm der Trieb
zum geschlossenen Umriß, zur ruhigen Rundung,
zur Vereinfachung. Das Schmuckwerk wird mehr
und mehr zurückgedrängt. Der Geschmack am
Schnörkelhaften ist zwar noch lebendig, aber
das freie Spiel solcher ornamentalen Gebilde
ordnet sich der Natur unter, um höchstens als eine
Art von Schlangenperrücke medusenartig einen
Kopf zu umkränzen. Dabei bleibt aber Knörlein
dem Kunstgewerbe als der Grundgesinnung seines
Schaffens treu. Seine plastischen Arbeiten ver-
meiden es klug, die Grenze des Dekorativen zu
überschreiten, trotzdem sie — was bemerkens-
XXXV. November 1931. 5*
R. KNÖRLEIN—
WIEN. »ROTE
TERRAKOTTA«
PHOTO: ILKA
FIGÜRLICHE KERAMIK VON RUDOLF KNÖRLEIN —WIEN
Die Wiener dekorative Keramik hat durch
Dagobert Peche Impulse erhalten, die auch
heute noch, fast ein Jahrzehnt nach dem frühen
Tode des großen Kunstgewerblers, deutlich zu
spüren sind. Er war es, der den Zug zum Ange-
lockerten, zum Krausen und Flackernden in die
Modellierung der Figuren einführte, und auf seine
ornamentale Phantasie geht es zurück, wenn seit-
her mit Vorliebe die Menschengestalt mit Zier-
formen durchsetzt wird. Es war nur folgerichtig,
daß seine Anregungen meist von Frauen aufge-
griffen und weitergeführt worden sind. Denn seine
Gestaltungsprinzipen kamen der weiblichen An-
lage zutiefst entgegen. Im Rahmen dieser Bewe-
gung trat vor einigen Jahren der junge Rudolf
Knörlein an die Öffentlichkeit. Er brachte natür-
liche Begabung mit und verfügte als Schüler Ro-
bert Obsiegers über eine gesunde fachliche Vor-
bildung, die durch praktische Tätigkeit in verschie-
denen gewerblichen Betrieben Österreichs und
Deutschlands gestützt und erweitert worden war.
Eine gewisse Aufgeschlossenheit für den Reiz
preziöser Formen machte es ihm an sich leicht,
den einmal angeschlagenen Ton aufzugreifen.
Aber es mischte sich von vornherein eine eigene
Note in seine keramische Produktion. Vor allem
steht er dem weiblichen Element der neuen Wie-
ner Keramik reserviert gegenüber. Er nimmt es
an — aber mehr in den Stimmungswerten, als
im Formalen. Unverkennbar ist bei ihm der Trieb
zum geschlossenen Umriß, zur ruhigen Rundung,
zur Vereinfachung. Das Schmuckwerk wird mehr
und mehr zurückgedrängt. Der Geschmack am
Schnörkelhaften ist zwar noch lebendig, aber
das freie Spiel solcher ornamentalen Gebilde
ordnet sich der Natur unter, um höchstens als eine
Art von Schlangenperrücke medusenartig einen
Kopf zu umkränzen. Dabei bleibt aber Knörlein
dem Kunstgewerbe als der Grundgesinnung seines
Schaffens treu. Seine plastischen Arbeiten ver-
meiden es klug, die Grenze des Dekorativen zu
überschreiten, trotzdem sie — was bemerkens-
XXXV. November 1931. 5*