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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 69.1931-1932

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Goldschmidt, Werner: W. A. Lindgens - Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7203#0219

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211

WALTER ALBERT LINDGENS

»MAROKKANISCHE KINDER«

W. A. LINDGENS-BERLIN

VON WERNER GOLDSCHMIDT

Lindgens hat fast sieben Jahre in Paris gelebt,
und der Geist der französischen Malerei,
die dekorative Eleganz eines Matisse, die
schwebende Leichtigkeit eines Dufy, die ge-
nießerische Unbeschwertheit eines Kanelba,
diese ganze lebensbejahende Sorglosigkeit der
französischen Kunst kommt seiner Mentalität,
der Mentalität eines Kölner Epikuräers ent-
gegen. Seine Bilder tragen die Atmosphäre der
jungen Pariser Malerei, und so hat Lindgens
einen Stil entwickelt, der in der sanften Wärme
der Farbgebung, in der fast lässigen Lockerheit
des Konturs sich ganz von Frankreich be-
einflußt zeigt.

Es fragt sich, ob diese Entwicklung im
Zeichen der jungen französischen Malerei für
Lindgens gut gewesen ist. Er gehört seiner Ab-
stammung gemäß zur Gruppe der rheinischen
Maler, die, wohl als einzige in Deutschland,
innerhalb der künstlerischen Entwicklung der
letzten zehn Jahre sich eine gewisse provin-
zielle Eigenart bewahrt haben. Die Kunst des

jungen Rheinlandes hat nie jene Zwiespältigkeit,
jene geistige Diskrepanz zu überwinden ver-
mocht, die sich aus den ganz entgegengesetzten
künstlerischen Einflüssen des Ostens und des
Westens ergeben hat. Sie steht zwischen der
kämpferischen Problematik der Kunstentwick-
lung in Deutschland und der ausgeglichenen
Gradlinigkeit und Unbeschwertheit der Kunst
in Frankreich. Vor allem der Einfluß Picassos,
Braques und Juan Gris' ist den meisten ver-
hängnisvoll geworden. Ihnen fehlte der fran-
zösische Elan, über den Kubismus und anderer-
seits über das Dekorative hinaus sich die blut-
volle Lebendigkeit in der künstlerischen Aus-
einandersetzung mit den Dingen zu wahren.
Und so ist der Weg der meisten ein Aus-
weg geworden in eine dekorative Leere.

Lindgens hat sich diesem geographischen
Schicksal des rheinischen Künstlerkreises ent-
zogen, indem er rechtzeitig nach Frankreich
ging. Hier fand die Sanftheit seiner epikurä-
ischen Mentalität, die optimistische Sorglosig-
 
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