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Kimpflinger, Wolfgang [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 1, Teil 2): Stadt Braunschweig — Braunschweig, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.44169#0184

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über und bilden vor dem zweigeschossigen
Giebel ein verziertes Freigespärre.
Der andere Bau, Bültenweg 3, wurde bereits
1881 errichtet und ist durch einen überdurch-
schnittlichen Gestaltungsaufwand hervorzuhe-
ben. Ebenfalls eineinhalbgeschossig und trauf-
ständig, hat das Ziegelgebäude einen dreiach-
sigen, zweigeschossigen Mittelrisalit unter
steilem Zwerchdach, dem ein verziertes Freige-
spärre in Form eines offenen Dreipasses einbe-
schrieben ist. Gotisierende Formen zeigen auch
die spitzbogigen Fensterfiguren im Oberge-
schoß, die, wie auch die Eckquaderungen, aus
bossierten Kalksteinen gemauert sind. Fenster-
gewände, Gesimse und Sockelbereich sind

ebenso wie der Windfang mit aufliegendem
Balkon am Südgiebel in Werkstein gefertigt,
was dem Bau ein handwerklich anspruchsvol-
les und insgesamt solides Aussehen verleiht.
Stilistisch scheint das Gebäude abhängig zu
sein von dem nur wenige Meter entfernt ste-
henden und die Ecke Bültenweg/Spielmann-
straße dominierenden Schulhaus Bültenweg 9.
Unter den vielen Schulbauten Ludwig Winters
stellt dieses Exemplar aus dem Jahre 1881 eine
formale Besonderheit dar. Im Vergleich mit Win-
ters früheren, aber auch mit seinen später ent-
standenen äußerst schlichten Schulbauten, ist
hier eine umfangreiche Dreiflügelanlage mit
schmuckfreudigen Details entstanden, die sich
aus dem Zwang zu strenger Ökonomie befreit

Bültenweg 3, 1881


Am Wendenwehr 7-10, 1911/1912, Arch. W. Bartels


zu haben scheint. Die Planungen für die Bülten-
wegschule fielen in die Zeit, in der Ludwig Win-
ter die Amtsgeschäfte des Stadtbaurates von
C. Tappe übernahm. Mit diesem Bau scheint
Winter den Versuch unternommen zu haben,
dem Schulhausbau in Braunschweig eine ge-
stalterische Wendung zu geben in Richtung auf
ein repräsentativeres und formal reicheres Er-
scheinungsbild - eine Wendung, die auf Kritik
stieß und bei den weiteren Schulbauten der
achtziger und neunziger Jahre wieder zu sach-
lich nüchternen Entwürfen führte. So stellt der
Schulbau am Bültenweg mit seiner von Türmen
flankierten, schräg zur Straßengabel gesetzten
Hauptfassade eine Ausnahme dar. Die am
Bültenweg und an der Spielmannstraße liegen-
den Seitenflügel zeigen mit ihren übergiebelten
Treppenhausrisaliten und gotischen Maßwerk-
fenstern ebenfalls eine über die anderen Braun-
schweiger Schulhausbauten in den Stadterwei-
terungsgebieten hinausgehende Durchgestal-
tung. Verschieden farbige Ziegel mit und ohne
Glasur, Formsteine und Ziersetzungen finden in
breiter Form Anwendung und machen den Bau
zu einem der wichtigsten historistischen Back-
steinbauten der Stadt. Die Hauptfassade über-
ragt ein tabernakelförmiger Aufsatz, der das
Wappen der Stadt und die Jahreszahl 1881
umschließt. Im Zweiten Weltkrieg unbeschädigt
geblieben, verfügt der Bau auch heute noch
über ein hohes Maß an Originalsubstanz. Le-
diglich auf der Rückseite erhielt der Mitteltrakt
einen neueren Anbau, der aber in Form und
Material dem Ursprungsbau angepaßt wurde.
Die westlich der Universität zwischen Oker und
Wendenring gelegene Siedlungsfläche ist erst in
den Jahren ab 1910 bebaut worden. Im Zuge
der städtebaulichen Neuordnung dieses Berei-
ches erhielt die bis dahin umständlich über den
Rebenring an das Wendentor herangeführte
Hamburger Straße eine verkehrstechnisch ge-
schmeidigere Anbindung an die Innenstadt: der
geschwungen trassierte Straßenzug Am Wen-
denwehr verbindet zusammen mit der kurzen
Lampestraße seit 1911/12 das Südende der
Hamburger Straße mit dem Stadtzentrum. Die
Bebauung der neuen Straße erfolgte gleichzei-
tig, wobei die Südseite auch heute noch durch
stilistische Einheitlichkeit und relativ guten Er-
haltungszustand auffällt. Die zweigeschossigen
Wohnhäuser mit durchweg ausgebauten
Dächern grenzen mit ihren rückwärtigen Gar-
tengrundstücken, die nach Süden und Südwe-
sten gerichtet sind, an die Oker und haben so
eine sehr bevorzugte Stadtlage. Die ganze Bau-
tengruppe Am Wendenwehr 1/2, 3, 4/5/6/7 so-
wie 8/9/10 ist 1911 und 1912 in jenem behäbi-
gen Mischstil errichtet worden, der vom Hei-
matschutzgedanken geprägt wurde und für den
voluminöse Dachformen mit Gauben und Zwer-
chhäusern, kleinteilige Fenster sowie runde und
gebogene Formen an Eingängen, Wintergärten
und Baikonen besonders typisch sind. Die Ent-
würfe für das Doppelhaus Nr. 1/2 und die Drei-
ergruppe Nrn. 8/9/10 sowie für das Einzelhaus
Nr. 3 stammen von W. Bartels, wobei die west-
liche Hälfte von Nr. 1/2 mit einigen Monaten
Verzögerung an das bereits stehende Haus
Nr. 1 angebaut worden ist.
Der mit zwei identischen Flügelbauten (Nrn. 4
und 7) errichtete, symmetrisch organisierte
Komplex Nrn. 4/5/6/7 zeigt auch heute noch,

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