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Kimpflinger, Wolfgang [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 1, Teil 2): Stadt Braunschweig — Braunschweig, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.44169#0263

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matverbundene Reminiszenz an die Braun-
schweiger Fachwerkarchitektur zu werten.
Während die inzwischen modernisierten La-
deneinbauten in der Westzeile dem ursprüngli-
chen Planungskonzept entsprechen, sind die in
der als Wohnbauten errichteten Nordzeile erst
in der Nachkriegszeit eingebrochen worden.
Das mit zwei hohen Geschossen und steilem
Satteldach die Siedlung überragende Gemein-
schaftshaus (Welfenplatz 17) ist ein aus Bruch-
kalkstein aus dem Elm errichteter, nur auf der
Südseite durchfensterter Bau, der zum Weifen-
platz hin durch seine großen, ungegliederten
Mauerflächen wie ein monolithischer Block
wirkt. Angeblich stammt der Entwurf für dieses
Gebäude von Albert Speer (s. Lehrsiedlung
Braunschweig - Mascherode, Dt. Bauzeitung
1940). Nicht nur in seiner Großform, als Bau
über rechteckigem Grundriß mit steilen Giebel-
fronten und Satteldach, sondern auch in der
Wahl der Baumaterialien (Bruchstein mit Eck-
quaderungen und Entlastungsbögen in farbig
abgesetztem Sandstein) nimmt der Bau Bezug
auf romanische Kirchenbauten in der Region
Braunschweig. Der Westgiebel ist als Hauptfas-
sade ausgebildet: Im mittleren, zurückspringen-
den Teil, liegt über einer mehrstufigen Treppe
das gewaltige Portal, dessen gestaffeltes Ge-
wände eine große Mauertiefe vortäuscht. Darü-

ber befand sich, in seiner Lokalisierung im Mau-
erwerk heute noch sichtbar, ein großes Relief
des nationalsozialistischen Adleremblems. Der
Giebel springt gegenüber dem unteren Gebäu-
deteil vor und ist mit einem Gesims eingefaßt.
Symmetrisch zur Mittelachse liegen hier unter-
einander je drei halbrunde Öffnungen, hinter de-
nen sich ursprünglich ein Glockenspiel befand.
Der zum Platz gewandten Nordfront ist eine
über fast die gesamte Breite verlaufende Treppe
vorgelagert. Die große Wandfläche enthält hier
nur wenige Öffnungen. Im rechten Teil liegt über
einer verhältnismäßig kleinen Tür ein sog.
Führerbalkon, daneben schließen sich sieben
Türen an, die heute mit Brettern verschlossen
sind. Die Südfront ist mit zwei Reihen werk-
steingerahmter Fenster ausgestattet, wobei die
obere Reihe, die für die Belichtung des Ver-
sammlungsraumes sorgt, wesentlich höher ist.
Hinter dem Hauptportal im Westen lag quer zur
Gebäudelängsachse die sog. Ehrenhalle, ge-
widmet dem Gedächtnis der Gefallenen des Er-
sten Weltkrieges. Hieran schloß eine die ge-
samte Höhe einnehmender Gemeinschafts-
raum mit 650 qm Grundfläche und offenem
Dachstuhl an, dessen Ostwand über einem
Rednerpult mit einem riesigen Adler dekoriert
war. Die Bruchsteinwände waren über-
schlämmt, der Fußboden aus rotem Weser-
sandstein.

Das ehemalige Gemeinschaftshaus bildet auch
heute noch den geographischen Mittel- und
baulichen Höhepunkt der Südstadt, die als Mu-
stersiedlung der Deutschen Arbeitsfront ent-
stand. Es überragt mit seinen hohen Giebeln
und der großen Dachfläche die übrige ein- bis
zweigeschossige Bebauung deutlich. Nach En-
de des Krieges wurde der ehemalige Gemein-
schaftsraum als Kino genutzt, seit 1963 ist hier
ein Supermarkt untergebracht.
In dem nach Norden ausgreifenden, einge-
schossigen Ostflügel, der den Platzraum auf
dieser Seite begrenzt, waren ursprünglich Ver-
waltungsräume verschiedener Parteidienststel-
len, das Architekturbüro der „Deutschen Ar-
beitsfront“ und ein Kindergarten untergebracht.
Heute ist hier eine Bücherei, die Polizei sowie
im nördlichen, nahezu quadratischen Teil eine
Gaststätte untergebracht. Dieser 50 Meter lan-
ge eingeschossige Putzbau mit Walmdach und
zahlreichen Schleppgauben liegt zum Welfen-
platz hin um zwei Stufen erhöht. Hier springt
die Gebäudewand zurück, so daß ein offener
Gang entsteht, der zum Platz hin durch kräftige,
das Dach tragende Stützen begrenzt wird. Am
Nordende schließt als Kopfbau der nahezu
quadratische, auf der Westseite vorspringende
Gebäudeteil an. Der Entwurf für diesen Flügel
des Gemeinschaftshauses stammt von Schul-
te-Frohlinde.

Südstadt, Welfenplazt 17, Gemeinschaftshaus, 1938, Arch. A. Speer


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