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Eder, Josef Maria
Geschichte der Photographie (Band 1) — Halle (Saale), 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.27415#0499

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Einführung des nassen Kollodium Verfahrens in die Photographie. 475

Die Entdeckung der löslichen Schießbaumwolle und
des Kollodiums.

Die Löslichkeit gewisser Pyroxylinsorten wurde zuerst von Bau-
din im Jahre 1846 entdeckt; da er aber keine praktischen Resultate
erzielte, ging die Entdeckung verloren und wurde im Jahre 1847
von Flores Domonte und Menard1) und etwa gleichzeitig von
Meynard und Be ge low neu gemacht. Die Lösung heißt Kol-
lodium oder Collodion vom griechischen xoRaco, kleben.

Louis Menard gilt als der eigentliche Erfinder des Kol-
lodiums. Er war einer der genialsten und exzentrischesten Pariser Bohemiens,
die das Pflaster des Quartier Latin je getreten haben. Er war 1822 geboren, trat zuerst
in die Ecole normale ein, in jene Pariser Schule, in der man zum Gymnasialprofessor
ausgebildet wird. Er trat aber bald aus, weil man hier nicht das Griechische betrieb
und verfaßte Dramen aus dem Ideenkreise des griechischen Altertums. Dann wandte er
sich chemischen Experimenten zu, arbeitete mit Schießbaumwolle, und zwar gemein-
schaftlich mit Flores Domonte. Beide entdeckten die Löslichkeit gewisser
Sorten von Schießbaumwolle in Äther-Alkohol und im Jahre 1847 das Kollodium,
das später für die Photographie von größter Bedeutung wurde. Sie publizierten
ihre Entdeckung in der französischen Akademie der Wissenschaften (,,Compt. rend.“,
Bd. 23, S. 1687; Bd. 24, S. 87 und 390). Menard legte wenig Wert auf seine Er-
findung und verwertete sie nicht, während ein amerikanischer Student mit einem
ähnlichen Namen (Meynard) mit einem Mitarbeiter (Begelow) dieselbe Er-
findung kurz darauf gleichfalls machten und materiell verwerteten. Später (1848) war
Menard nur Politiker, dann wurde er Dichter und machte 1852 das Doktorat der
Philosophie an der Sorbonne. Dann verschwand er aus Paris, tauchte in Barbizon
auf, wo die Malerschule, der auch M i 11 e t angehörte, ihren Sitz hatte; Menard
wurde Landschaftsmaler und blieb dies 10 Jahre lang. Dann wandte er sich wieder
dem Studium der alten Griechen zu, ging nach London und wurde 25 Jahre später
durch den Einfluß seiner politischen Parteifreunde Professor der Weltgeschichte in
Paris. Er publizierte „Träumereien eines heidnischen Mystikers“, die 1911 in Paris
neu ediert wurden2). Menard zog durch die Straßen von Paris in der Kleidung
eines zynischen Philosophen des alten Griechenlandes, die Füße mit Holzschuhen
bekleidet, an denen Stroh hing. Am Schluß seines Lebens machte Menard eine
völlige Wandlung seiner religiösen und politischen Überzeugung durch und wurde
eifriger Katholik. Als solcher versuchte er eine Verbindung zwischen Christentum
und hellenischem Heidentum herzustellen (nach ,,Le Temps“ 1911.

1) Domonde und Menard, Compt. rend. Bd. 23, S. 1087; Bd. 24,
S. 87 und 390. Auszug Journ. f. prakt. Chemie. Bd. 40, S. 421.

2) Louis Menard schrieb ein Büchlein ,,De la moral avant les philo-
sophes“ 1860, worin er (S. 104) auf die Mythologie der alten Griechen zu sprechen
kommt und sich darüber äußert: „Man wurde in diesem Zeitalter über die
tausend Hymnen über Zeus und Aphrodite nicht mehr böse, als heutzutage darüber,
wenn man zu finden glaubte, daß der Sauerstoff liederlich geworden sei, weil er
sich mit allen Körpern verbindet“.
 
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