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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Mitteilungen des Reichskunstwarts
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0064

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MIT TEILUNGEN DES REICHSKUNSTWARTS

ordneter Arbeitsweise hat diesem Erbbesitz an handwerk-
lichem Können außerordentlich geschadet. Kostbare Er-
fahrungswerte konnten von der alten Generation den
Jüngeren nicht organisch weitergegeben werden. Heute
ruht die letzte traditionell entwickelte Kenntnis wertvoller
Handwerkstechniken und Handwerksgeheimnisse in den
Händen sechzig]ähriger Meister. Wohl ist in der jungen
Generation ein starker Wille der Elinwendung zu hoch-
wertiger Handwerksleistung zu erkennen, aber es fehlt an
Fürsorge, Verständnis und Aufträgen, um diesen Willen
zur Erhaltung des Handwerks und seines Nachwuchses
entscheidend zu festigen.
Trotz aller Vorteile, die die leichte Verkaufsmöglichkeit,
mehr allerdings der deutschen Industrie als dem Handwerk,
während der letzten Monate brachte, sind weite Kreise
Deutschlands erlahmt und eingeschüchtert. Jede Stimme,
die dem deutschen Flandwerker sagt, daß er seinen mühe-
vollen Kampf nicht aufgeben soll, jede Stimme, die dem
handwerklich begabten jungen Menschen den Wert einer
gediegenen Lehre klar macht, ist daher von entscheidender
Bedeutung. Aus diesem Grunde ist es nötig, daß eine Ak-
tion zur Erhaltung wertvoller Handwerkstechniken in
Deutschland planmäßig ein setzt. Folgende Aufgaben sind
zu erfüllen:
1. Man muß eine Übersicht über hervorragende einzelne
Meister und bestimmte örtliche Traditionen aufstellen, die
wertvolle und seltene Handwerkstechniken noch beherr-
schen.
2. Diesen Meistern muß man Aufträge vermitteln und
zwar sowohl Bestellungen von Arbeiten, welche in den Be-
sitz der einzelnen Stifter übergehen, als auch Aufträge für
Objekte, die in Ausstellungen oder in Museen zur Schau
gestellt werden. Vor allem ist es nötig, eine Reihe hoch-
we^tiger Stücke handwerklicher Arbeit zu einer Ausstel-
lung zu vereinigen, die in Deutschland, aber möglicher-
weise auch im Ausland gezeigt wird.
3. Um schnellzuzugreifen, muß man gegebenenfalls be-
gabten Schülern, aber auch jungen Künstlern durch eine
Unterstützung die Möglichkeit geben, ein Handwerk zu
ergreifen, ebenso wie man nötigenfalls einem Meister,
dessen Können und Wissen mit ihm aufhören würde, durch
Aufträge und Unterstützung die Möglichkeit geben muß,
Lehrlinge auszubilden.
4. Um der Bewegung Nachdruck zu geben, braucht man

die das gesamte Material behandelnden Handbücher, die
das Verständnis für den Wert handwerklicher Arbeit mit
Hilfe von bildlicher Darstellung und leichtverständlicher
textlicher Erläuterung geben.
5. In Zusammenhang mit der Vorbereitung der Aus-
stellung und der Bücher ist eine Sammlung von Photo-
graphien und zeichnerischer Darstellungen anzulegen, wel-
che Werkstätten und Vorbilder festhalten. Dieses Material
würde zugleich zur Verbreitung in Zeitschriften und Zei-
tungen vielfach Gelegenheit geben, um planmäßig eine
größere Bewegung zu gunsten der Erhaltung wertvoller
Handwerkstechniken zu entfachen.
Vorarbeit in ähnlichem Sinne ist schon vielfach in
Deutschland, meist auf der Grundlage heimatkundlicher
Bestrebungen, geleistet worden. Es kommt darauf an, solche
Bestrebungen zusammenzufassen und unmittelbar in den
Dienst praktischer Arbeit zu stellen.
Zur Erreichung dieses Zieles sind während der letzten
Monate verschiedene Schritte eingeleitet worden. Der wich-
tigste davon ist die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft
für Handwerkskultur, die anschließend an einen Vortrag
des Reichskunstwarts im Januar 1922 von Hannover aus
gegründet wurde. Der Arbeitsausschuß besteht aus folgen-
den Vertretungen: Reichskunstwart, Reichs verband des
Deutschen Handwerks, Deutscher Werkbund, Verband
Deutscher Kunstgewerbevereine, Deutscher Bund Heimat-
schutz.
Die Arbeitsgemeinschaft will die Anerkennung der kul-
turellen Bedeutung wertvoller Handwerksarbeit durch-
setzen, sie will zugleich einen Fonds zusammenbringen,
um die in vorstehendem Mahnruf dargelegten Ziele tat-
kräftig in Angriff zu nehmen.
Ergänzt wird diese Arbeitsgemeinschaft durch einen
Bund zur Erhaltung wertvoller Handwerkstech-
niken, der besonders dezentralistisch mit einzelnen Orts-
gruppen arbeiten will. Die örtliche Führung soll hier Dres-
den übernehmen, weil der Meisterring des Deutschen Werk-
bundes, der in Dresden seinen Sitz hat, die gegebene Stelle
zum Ausgangspunkt dieser Bestrebungen bietet. Die Grün-
dung der Berliner Ortsgruppe darf nach bisher gepfloge-
nen vorbereitenden Verhandlungen schon als gesichert
gelten.
Über den Fortgang dieser Unternehmungen wird regel-
mäßig Bericht erstattet werden.

Verantwortlich für den Inhalt Dr. Konrad Hahm, Referent beim Reichskunstwart

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