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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Feige, Adolf; Riezler, Walter: Das Problem der Form im Eisenbrückenbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0085

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DIE FORM / MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT

Figur 2


daß dies konstruktiv unter allen Umständen zu berücksichtigen ist und daher auch irgendwie auf die
Formgestaltung wirken muß. Und zwar zeigt sich schon hier ein wichtiger Unterschied zwischen dem
Material des Eisens und des Steins. Wohl muß auch bei den Steinbrücken die Belastung in Rechnung
gesetzt werden; aber dies drückt sich formal nur in der größeren oder geringeren Massigkeit aus,—
und der Spielraum ist auch darin nicht sehr groß, weil das Eigengewicht des Materials eine gewisse
Massigkeit von vornherein erfordert —, während für die Konstruktion nur die eine Möglichkeit des
Bogens unter der Fahrbahn besteht; für die Eisenbrücke gibt es je nach der Größe der Belastung ganz
verschiedene Konstruktionsmöglichkeiten. Dies ist in der Eigenart des Materials begründet, der
deshalb der wichtigste Einfluß auf die Gestaltung eingeräumt werden muß. Die Tatsache, daß das Eisen
als einziger Baustoff in fast gleichem Maße Druck- und Zugkräften widersteht, ist für die Konstruktion
von allergrößter Wichtigkeit. Die rein formalen Konsequenzen dieser Eigenart werden uns weiter unten
beschäftigen; hier ist nur wichtig, festzustellen, daß selbstverständlich die Eigenart des Materials bis ins
Letzte ausgenutzt werden muß, und daß nicht etwa aus Gründen einer engen Ästhetik auf irgend welche
konstruktiven Möglichkeiten verzichtet werden darf. — Und ferner ergeben sich aus den örtlichen
Verhältnissen ganz bestimmte Forderungen: der Zustand des Untergrunds kann ebenso wie die Er-
fordernisse der Schiffahrt, die eine bestimmte lichte Höhe verlangen, für die Konstruktion ausschlag-
gebend sein.
Keine dieser Forderungen braucht auf die formale Gestaltung einer Brücke hemmend einzuwirken;
wo sie es tun, fehlt die Fähigkeit des Konstrukteurs, für die Forderungen die rechte Form zu finden.
Nur eine einzige Forderung, die heute allerdings noch ziemlich allgemeine Geltung hat, kann unter
U mständen eine befriedigende Gestaltung erschweren, j a unmöglich machen: die der Wirtschaftlichkeit.
Wie bei anderen reinen Nutzbauten pflegt man auch bei Brücken der sparsamsten Lösung bei sonst
gleicher Tauglichkeit grundsätzlich den Vorzug zu geben. Dieser Grundsatz ist sonst in den meisten
Fällen nicht weiter verhängnisvoll, weil die Ersparnis auf die Form nicht einzu wirk en braucht, wenn
sie sich vor allem auf das verwendete Material richtet. Gerade im Brückenbau aber, wie überhaupt bei
reinen Eisenkonstruktionen, ist die Gefahr gegeben, daß die Klarheit und Einheitlichkeit der Form unter
der Sparsamkeit leidet. Es wird darüber im Einzelnen weiter unten noch Manches zu sagen sein. Jeden-
falls ist hier der Punkt, wo von der Formgesinnung des Auftraggebers die Gesundung abhängt.
Und gerade hier wird es besonders klar, daß durch die Erfüllung der von Zweck und Material ge-
stellten Forderungen eine wirkliche Formung noch nicht erreicht zu sein braucht, und daß auch das
Eisen, dessen konstruktive Möglichkeiten besonders reich sind, und dessen Formen viel enger als etwa
die des Steins an die Konstruktion gebunden sind, sodaß sie sich stets aus der Konstruktion unmittelbar
ergeben müssen, noch einen besonderen Formsinn erfordert, — dessen Aufgabe allerdings hier im Wesent-
lichen darin liegt, unter den verschiedenen konstruktiven Möglichkeiten die Wahl zu treffen, und der

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