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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Mitteilungen des Reichskunstwarts
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0196

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MITTEILUNGEN DES REICHSKUNSTWARTS

vergessen. Der seitliche Abschluß der Schwingen ist ein
so kraftvolles Motiv, daß es fest im Empfinden haften
bleibt. Es ist kein Strich an dem Ganzen, der nicht ge-
sehen und auch behalten werden könnte. Der Versuch,
etwa einmal in der Schule diesen Adler und den Stempel-
adler von S. von Weech aus dem Gedächtnis nachzuzeich-
nen, würde zu interessanten Ergebnissen führen. Dem-
gegenüber sei daran erinnert, daß es früher eine bekannte
Scherzfrage war: wieviel Adler sich auf der Rückseite des
Talers befänden. Es waren 17, aber mir ist niemals je-
mand begegnet, der diese Zahl aus dem Gedächtnis rich-

tig hätte konstruieren können. Man kam auch höchstens
durch gegenständliche Überlegung, nie aber durch die
Erinnerung des Auges zu einem annähernd richtigen Er-
gebnis.
Wenn nun die Notwendigkeit anerkannt werden muß,
in den wichtigsten Formgebungen des Reiches ein Stück
unbewußter Erziehung des Auges zu betätigen, so wird
man die Lösung Wackerles sehr begrüßen können. Das
Stück prägt sich dem Auge, ja mehr noch den Muskeln
des Betrachters stark ein; es ist ein Wahrzeichen, das eine
einfache und klare Sprache redet.

Arbeiten aus dem Gebiet
des Reichskunstwarts auf der Deutschen Gewerbeschau
München 1922

Innerhalb verschiedener Abteilungen der Deutschen
Gewerbeschau München sind eine Reihe von Arbeiten zu
sehen, die im Zusammenhang mit Aufträgen oder Anre-
gungen des Reichskunstwarts entstanden sind.
Die graphische Kunstanstalt Josef Pointner, Mün-
chen, welche die ersten Probeentwürfe des großen und
kleinen Reichsstempels von S. von Weech in Präge-
technik hergestellt und sich an dem Gang der Arbeiten
vorbildlich beteiligt hat, bringt in ihrer Abteilung auch
Abdrücke dieses Stempels. (Vgl. „Die Form“ Heft 2,
S- 55-)
Die Werkstätten für Glasmalerei Puhl & Wag-
ner, Gottfried Heinersdorf,Berlin-Treptow stellen
ein Glasfenster mit dem Reichs wappen vonSchmi dt-
Rottluff aus. Die ganze Wucht dieses Entwurfes, das
einzigartige Zusammenstimmen der positiv gestaltenden
und negativ umrissenen Form kommt hierbei in höchstem
Maße zum Ausdruck.
DiealteV olkstedter Porzellanmanufaktur bringt
in der Haupthalle der Ausstellung einen Adler nach dem
Entwurf des bei ihr tätigen Bildhauers Meisel. Die
Volkstedter Porzellanmanufaktur hat in diesem großen
plastischen Stück ihre ganz besonderen Fähigkeiten bereits
rein technisch in hervorragendem Maße bewährt. Der
Bildhauer hat es verstanden, sorgfältigste Naturbeobachtung
und gestaltende materialgerechte Stilisierung in seinem
Werk zum Ausgleich zu bringen. Es wurde damit ein
Schau- und Geschenkstück von repräsentativem Wert ge-
schaffen, das besonders auch in diesem Sinne Empfehlung
verdient.
Vermutlich wird auch der von der Möbelstoffweberei

Herausgeber: Dr.KonradHahm,

Gustav Koltmann, Krefeld nach einem Entwurf von
Prof. Aufsees er, Düsseldorf gewebte Stoff zu sehen sein.
A n diesem Stoff, den Aufseeser entsprechend einer Anregung
des Reichskunstwarts entwarf, gefällt vor allem die Sachlich-
keit und klare Selb stverständlichkeit,mit der der Adler durch-
gebildet, aber zugleich als Grundfigur eines Musters ver-
wendet ist. Der Stoff dürfte sich in hervorragendem Maße
für offizielle Zwecke eignen, namentlich auch für Möbel-
bespannung in Sitzungszimmern, Gesandtschaften, Konsu-
laten und dergleichen. Er ist daher den einzelnen Reichsbe-
hörden nachdrücklich empfohlen worden. Außerdem wird
auf der Gewerbeschau noch ein Intarsienadler des be-
kannten, in Hannover tätigen, meisterhaften Beherrschers
dieser T echnik, Herrn AlbertSchulze ausgestellt sein, der
unter Verwendung der von Rudolf Koch, Offenbach
für den Reichskunstwart geschaffenen Entwürfe als Vor-
derstück eines Rednerpultes angefertigt ist.
Allen diesen Arbeiten ist eines gemeinsam: Erstrebt
wird keine dutzendmäßige Anwendung unseres Reichs-
adlers. Dies alte Symbol des deutschen Reiches soll nie
schematisch und fabrikmäßig erscheinen. Wo der Adler
auftritt, soll er als Hauptsache wirken, vor allem aber: er
soll ganz aus dem Geist der bestimmten Aufgabe, des be-
stimmten Größenverhältnisses usw. gebildet sein. Jedes
Volk braucht und will Symbole. Es ist aber dafür zu sor-
gen, daß nicht gedankenlose und schematische Übertra-
gung ein Symbol entwertet. Daher dürfte es wertvoll
sein, daß sich die hier genannten Lösungen an die
für Stempel und Münzen gefundenen anreihen und das
Problem der Adlergestaltung zu einem gewissen Abschluß
bringen.

Referent beim Reichskunstwart

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