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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 15.1904

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Lasser, Moritz Otto von: Die Muschel in der Architektur, im Innenraum und im Kunst-Gewerbe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11377#0193

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i88

INNEN - DEKORATION.

weder in der Architektur noch im Innenraum eine
bedeutende Rolle. Auch keine hauptsächliche im
Kunst-Gewerbe. Immerhin begegnen wir ihr da
wenigstens öfters. An Kassetten, Schirm griffen,
Fächern sahen wir das schimmernde Perlmutter, in
Tischflächen wurden seine bunten Tinten eingesenkt,
kleinere Muschelchen bedecken mitunter ein Trühlein
und dergl. Wir blätterten soeben im Buche der
Erinnerungen karg ist die Ausbeute. Reich
aber ist die Fülle von Gaben, welche in Wahrheit
die Muschel spenden kann, oder könnte. Zunächst
einiges über ihre Farbenspiele. Kein Makart könnte
diese auserzählen. Salz-
flut beträuft, dem Meere
eben entnommen, zeigen
die Schalen meist schon
aparte, elegante Farben;
geschliffen, poliert schil-
lern, glänzen, leuchten,!
funkeln dieSchnecken.die
Tritons-Hörner, die Nau-
tilus-Schnecken etc. in
tausendTönenundTiefen.
Das glänzt, das gleisst,
gemahnt an bunte Gläser,
harte Edelsteine; seidenes
Grau wechselt mit Gelb
und fleischfarbenen Tönen
ab, wie schöne satte
Pfauen liegen manche
Seeohren da, andere Ge-
häuse sind verwirrend
zierlich gesprenkelt, zei-
gen ein schweres Rot-
Violett , Elfenbein-
Schimmer und schwarze
Streifen, welche alle
Farben aufsaugten. Zu-
dem leben all die Farben
auf eine ganz seltsame
Weise. Bald scheinen sie

aus der Tiefe zu kommen, blitzartig auftauchend,
bald prallen sie uns von der platten Oberfläche ent-
gegen, scheinen müde und kreidig, glänzend und fest-
lich, undefinierbar f Hessen sie ineinander, atmen eherne
Beständigkeit. Der Maler wird die Muschel deshalb
stets zu den erlauchtesten Wundern zählen, dem
Zeichner bieten sie aber auch nicht wenig. Graziöse
und wunderbar mathematische Linien, in der Archi-
tektur noch zu wenig angewandt. Als Ornament,
als Motiv, zeichnerisch zu Friesen etc. herangezogen,
könnte die Muschel den Formenschatz, das Detail der
Architektur, sehr bereichern. Dass sie dem künst-
lerisch gehaltenen Innenraum zur Zierde gereicht,

PROF. EMANUEL SEIDL—MÜNCHEN.

unserem Verlangen nach malerischer Schönheit ent-
gegenkommt, wird aber auch noch zu wenig ge-
würdigt. Und doch, zu welch schöner Wirkung
lässt sich ihr Vorhandensein nebst anderen Dingen
auf einer Lambris steigern; eine köstlich bunte Schale
auf flüchtig hingebreitetem Seidenstoff vermag
wundervoll anzusprechen, mehrere Schaltiere, Ge-
häuse , flache Formen, als Stillleben arrangiert,
können einem Raum einen ganz eigen wertvollen
Dekor verleihen. Warum wir Muscheln so nicht
verwendet sehen, fällt schwer zu begreifen, noch
schwerer, weshalb sich die Malerei so selten ihrer

bemächtigt. Blumen und
Blüten, Geräte und Stoffe
in Öl wiedergegeben, be-
gegnen wir oft, den tau-
send-farbigen leuchten-
den Schalen dagegen im
Bilde sehr selten, noch
nie sahen wir sie in gross-
zügig dekorativer Weise
im Ölgemälde, in der
Glasmalerei zur Erschei-
nung gebracht. Gäbe es
für letztere ein dank-
bareres Thema als Meer
und Muscheln ? — Spricht
man das Wort Meer aus,
so werden alle Geheim-
nisse der Wogen, die
Dichtungen der Antike
lebendig. Auchjene,diein
Stein, Marmor, in Mosaik
niedergeschrieben wur-
den, sich römische Land-
sitze, Bäder, nannten.
Wir Spätgeborenen, wa-
rum schaffen wir uns
nicht Räume, in denen
ebenfalls Harmonie, Ab-
geklärtheit , ein schwei-
gendes, träumendes Fest der wahrhaften Schön-
heit herrscht. Warum den Frauen nicht Hallen,
in denen sich ihre weissen Gliederprächte in
kühlen Fluten spiegeln, von deren Wänden silberne
Perlmutter-Flächen blinken, Riesen-Muscheln als
Becken wohlduftende Essenzen opfern? Weshalb
gehen wir dem Heiteren, dem Spielen des Lichtes
aus dem Weg? Alles sei geschmückt und belebt,
auch die Fläche. Statt sie zu bemalen, statt ver-
schiedene Holzarten zusammenzufügen, sollte das
Kunst-Gewerbe einmal neue Werte heranziehen.
Oder alte auf neue Weise verwenden, der Wege

gäbe es viele ! (Schluss im August-Heft.)

Haus Carl Bernde-Mainz.
 
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