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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 15.1904

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Jaumann, Anton: Die Ästhetik des Raumes, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11377#0285

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INNEN-DEKORATION.

ARCHITEKT PAUL STEPHANOWITZ — MARIEN BURG I. WPR.

Ob der Druck im Räume stark oder schwach, ob
der Schwerpunkt des Zimmers in der Mitte ge-
legen oder verschoben, nahe der Decke oder nahe
dem Boden sich befindet, all das modifiziert die
Gestalt der Gegenstände. Herrscht starker Druck,
so haben wir mehr kompakte, in sich geschlossene
Massen, mit einer gleichsam plattgedrückten Ober-
fläche; im leicht-elastischen Raum aber kann sich
ein freies Spiel der Formen entfalten und können
Ausladungen und mannigfache Profilierung die
ebene Oberfläche unterbrechen. Durch diese Formen
der Gegenstände wird uns aber wiederum die ent-
sprechende Beschaffenheit des Raumes suggeriert.

Es gilt also, auf dieses spezifisch räumliche
Leben zu achten, das Ringen der Kräfte mitzu-
fühlen, und Anteil zu nehmen an dem Lose der
grossen und kleinen Raumorganismen, die je nach-
dem frei sich entfalten können oder unter dem
Drucke eines Mächtigeren seufzen. Es ist nicht
nur eine optische Erscheinung, wenn herabhängende
Beleuchtungskörper den Raum zerteilen, sondern
zugleich ein Gefühlserlebnis, und nicht gar zu schwer
fällt es, mitzuempfinden, wie vorspringendeWandarme

gleich einem Stilet in den
Raum stechen. — Bei dieser
Betrachtungsweise machen
wir aus dem Raum ein
lebendes Wesen; ist es nicht
die eigenste Zauber gäbe der
Kunst, Leben zu schaffen
und Leben zu steigern ? Der
Künstler hätte dann grob
gefehlt, wenn irgendwo in
seinem dreidimensionalen
Werk ein »toter Raum«
bliebe; kein Winkelchen
darf er vergessen. — Als
besonders schwierig erweist
sich die Erzeugung eines ein-
heitlichen Raumeindruckes
dann, wenn eine sehr grosse
Anzahl von verschiedenen
Gegenständen Aufstellung
finden soll. Die Japaner
haben dagegen bekanntlich
fast ganz leere Zimmer; die
Kleider hängen in Nischen
in der Wand, vor welche
weisse Papierschirme gestellt
werden. Betten, Tische,
Stühle fehlen vollkommen.
Die Kunstschätze liegen und
hängen nicht umher, sondern
werden in Truhen aufbe-
wahrt. So radikal kann der Künstler bei unseren
Verhältnissen natürlich nicht vorgehen; aber immer
wird ein Zuwenig besser sein als ein Zuviel.

Leider bringt es das Wesen der Photographie
mit sich, dass auf ihren Bildern gerade das spezifisch
»Räumliche« nicht oder fast gar nicht zum Aus-
druck kommt. Um dieses zu geniessen, bleibt nichts
anderes übrig, als den Originalraum zu sehen; und
gerade hierin liegt eine Berechtigung und Aufgabe
der kunstgewerblichen Ausstellungen.

Nicht nur die Möbel sollen in einem natür-
lichen, notwendigen Verhältnis zum Räume stehen,
sondern auch sein Bewohner, der Mensch. Sie
sollen für einander bestimmt erscheinen, so dass
des einen Eigenart, Gestalt, Kräfte, die des andern
ergänzen. Der Mensch sei gleichsam in seinen
Raum hineingewachsen, oder der Raum um den
Menschen! Wir sind selber eine Raumgestalt, die
bei jeder Bewegung wechselt; und mit jeder Be-
wegung wechselt auch unsere Stellung zum Raum.
Beim Gehen zerteilst du den Raum, stehend wirst
du durch den Gegendruck des Raumes gehalten.
Vielleicht ist dir die Stellung mit dem Rücken

Saal-Dekoration. Ein II. Preis.
 
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