Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 46.1935

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Wohnräume von Adolf C. Ruedenauer
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10947#0055

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
»FRÜHSTÜCKS-ECKE« ENTW. HILLERBRAND AUSF. DEUTSCHE WERKSTÄTTEN — MÜNCHEN

WOHNRÄUME VON ADOLF C. RUEDENAUER

Man muß den Arbeiten dieses Architekten eine
Eigenschaft nachrühmen, die selten und kost-
bar ist: sie leben ganz aus dem echtesten Geist des
Handwerks und stehen doch frei und natürlich im
Dienst an der Wohn- und Lebensform des heutigen
Menschen. Handwerksgeist strebt hier nicht nach
rückwärts, zu vergangenen Formen der Kunst, zu un-
städtischen, ungesellschaftlichen Formen des Lebens.
Er bejaht alles, was modernes Dasein heißt, lehnt
weder dessen Technik noch dessen Tempo ab, son-
dern denkt Zeit und Zivilisation und Gesellschafts-
haltung herzhaft mit in einem fröhlichen Dienen, das
alle Gemütswärme, alle hilfsreiche Seelenkraft der
handwerklichen Hervorbringungsweise mit sich führt.

Es geht dem Beschauer von Rüdenauers Hausrat
sonderbar: bei der ersten Begegnung glaubt er diese
Raumbilder, diese Truhen, diese Sessel schon zu
»kennen«. Sie sprechen vertraut und befreundet an.
Woher kommt das ? - Es kommt von der glücklichen,
leichtfließenden Erfindung, die sie hervorgebracht
hat. Es kommt von dem herzhaften Bemühen ihres
Urhebers um eine wirklich wohltätige Einflußnahme
auf das andre Menschenleben; man spürt: hier will
einer helfen, nicht wie ein bezahlter Fachmann, son-
dern wie ein Bruder, wie ein gewissenhafter Freund.
Wenn ein Vorraum-Möbel wie das der Einraumwoh-
nung (Abb. S. 42) sich schlicht und doch fesselnd,
fast novellistisch reizvoll aufbaut, so wird nicht nur

1935. II. 1

ein Zweck sachdienlich erfüllt, sondern ein freund-
licher Gedanke wird frei und spricht das Wort Hei-
mat und Behagen. Wenn ein Truhenschrank (Abb.
S. 45 unten) auf festen Brettstützen aufsitzt als ein
schöner, fester Körper, lebhaft und ergötzlich anzu-
sehen mit seinem hellen, gemaserten Eschenholz,
wenn er auf je einen Handgriff einen Aufklapp-
Spiegel, eine Schreibplatte und ausschwenkbare Eck-
fächer hergibt - da ist man nicht mit einem Stück
Holz allein, man ist fast in der Gesellschaft eines Men-
schen; man hat ein Ding in der Nähe, das die Ein-
samkeit bricht, weil durch dieses Ding das freund-
liche, hilfreiche Denken eines andern Menschen in
meinen Raum hereingreift.

Rüdenauer schaltet mit dem Gerät völlig frei. An
die überlieferten Möbeltypen, Möbelabmessungen,
Möbeldienste hält er sich nur da, wo es mit dem
augenblicklichen Zweck zusammengeht. Aber wenn
er Neues findet, dann ist es immer zu einem sinn-
vollen, einsichtigen Ziel. Technische Hilfen, wie etwa
der Schrägrost für Schuhwerk in dem erwähnten Vor-
raummöbel oder die Rundfunk-Schaltanlage am
Liegesofa oder die Raumbeleuchtung mit Linestra-
Leuchtröhren, bei der man in jeder Stellung lesen
kann, kommen bei ihm selbstverständlich und leicht,
ohne jeden Beiton von Knifflichkeit oder Witz einher.

Man erkennt, daß sein Geist über einen großen
Vorrat an Formen, an allerlei Hilfsmitteln verfügt,
 
Annotationen