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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 46.1935

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Wieszner, Georg Gustav: Die Technische Wohnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10947#0061

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INNEN-DEKORATION

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A. C. RÜDENAUER »EINRAUM-DACHWOHNUNG« COUCH MIT GEÖFFNETEM GLASERSCHRANK

Technik ist in die Wohnungen gedrungen. Es gibt
nichts mehr zu legen, was übersichtlicher gehängt
werden kann, es wird nichts mehr verstaut, was griff-
bereit sein soll. An Gestängen, die annähernd an das
laufende Band unserer Fabriken erinnern, kommen
die Anzüge dem Herrn entgegen (Abb. S. 50). Er, der
unter dem Diktat des alten Schreines den Cutaway
trug, in dem sich alle Geschäfte und Tanztees zu-
gleich erledigen ließen, wird von solchem technischen
Kammerdiener wieder einige Kleiderkultur lernen,
denn es ist eine Freude sich umzukleiden, wenn die
Anzüge sich anbieten, statt sich zu verstecken.

Das ist die Tugend aus der Not: Raum-Aussparungen,
Raum-Auswertungen. Warum soll ein Konsolschrank
plump und schwer sein, wenn die gespannte Haut aus
Furnierhölzern dem tektonischen Zweck genügt, wa-
rum soll er nicht Gläser bergen, wie Pfeiler in roma-
nischen Kirchen Wendeltreppen? Er will ja nichts
kaschieren, er lebt ja seine Existenz eindeutig aus.
Warum sollen Stiefel nicht neben Büchern stehen,
wenn ihr Raum als i h r Raum wohl begrenzt ist ?
Man organisiert den beschränkten Raum der Woh-

nung, man hat das in technischen Büros und Werk-
stätten gelernt. Das ist nichts Neues: Wir kennen
die arbeitstechnische Organisation in Goethes Schreib-
zimmer! Aus immer praktischer gestalteten Küchen
— man denke an den Frankfurter Typ oder gar an
die Mitropa - ist der Geist der Zeit bis ins Wohn-
zimmer und ins Boudoir der Dame gedrungen. Er
war schon da, als die Not des Raumes begann, er-
starkte mit ihr und half so die Not überwinden.
Auf Kosten der Schönheit?

0 nein! Denn was ist Schönheit, wenn man zeitlich
von den Pyramiden bis zum Makartzimmer denkt
und räumlich von den Gopurams Indiens bis zu den
Wolkenkratzern Manhattans ?

Ist Technik noch häßlich ? Die Zeiten sind vorüber,
in denen ein Emailleteller über der Glühlampe
noch an die Petroleumlampe der Ställe erinnerte.
Die »Lüster« verschwinden langsam zugunsten der
Leuchten. Das Licht steht oder schwebt in möglich-
ster Unberührtheit von Nebendingen entstofflicht im
Raum, je nachdem es, gebändigt in der Röhre, einen
Spiegel, ein Bücherregal raumausdeutend begleiten
 
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