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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Pecht, Friedrich: Der Humor in der deutschen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0016

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Der Sumor in der deutschen Kunst, vom kieransgeber

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Änderung in unserer humoristischen
Schilderung, die von da an den scharf
oppositionellen Charakter verliert und
der Hellen Freude am eigenen Volks-
leben und seinem unter allerhand Wun-
derlichkeiten versteckten tiefen Gemüt
Platz macht.

Doch wir haben hier noch aus
der Fülle dessen, was die deutsche Kunst
besonders seit 1866 nach dieser Seite
hin geboten, noch gar vieles nachzutragen.
Denn gleichzeitig mit Knaus schildert
dann Vautier vor allem unübertrefflich
seine schweizerischen Landsleute und deren
schönere Hälften, hat aber auch im
„Zweckessen" ein köstliches Muster von
drolliger Darstellung deutscher Bauern
und Bürger gegeben. Das Herz der
Nation haben ihm indes seine schalkhaften
Schwaben- und Schwarzwäldermädchen
erobert, wie sie aus der „Tanzstunde"
und dem „Sonntag Nachmittag auf
dem Lande" jeder kennt. Mit welch' köstlichem Übermut aber Gehrts die deutsche Märchenwelt wie den rheini-
schen ewig durstigen Humor vertritt, davon hat unser Blatt bereits öfter Zeugnis gegeben.

Daß der reichstbegabte unserer Naturalisten: Menzel, auch Meister des Humors ist, wenn auch eines
scharfen, das wäre überflüssig erst zu versichern. Wer kennt nicht das „Souper in Sanssouci" oder das „Flöten-
konzert", wer nicht das „Ballsouper" und jene so merkwürdige Adresse der Stadt Berlin, welche die Rückkehr des
Kaisers aus dem Kriege von 1866 schildert, und wo der sonst so starre Mann eine Tiefe des Gemüts und
komische Kraft zugleich zeigt, daß man beim Betrachten immer lachen und weinen zugleich möchte. Unstreitig gehören
die genannten Bilder zu den größten Triumphen humoristischer Schilderung, die es überhaupt gibt, und daß
sie uns das spezifisch preußische Wesen in dieser Beleuchtung zeigen, das kann ihren Wert nur erhöhen. Denn das
ist gerade das Interessante und Bedeutsame dieser deutschen humoristischen Malerei, daß sie alle Stammes-
eigentümlichkeiten, den jeweiligen lokalen Boden mit einer Schärfe widerspiegelt, die ihr allein schon unver-
gänglichen Wert geben müßten auch ohne den unübersehbaren Reichtum an Charakterfiguren.

Im höchsten Grade trifft das nun auch bei den beiden größten österreichischen Humoristen, bei
Defregger und Passini, zu. Von des letzteren unübertrefflicher Schilderung des venezianischen Volkslebens hat
die „Kunst für Alle" in seinem „Kürbisverkäufer" und dem „Passeggio" wie den „Neugierigen" glänzende
Muster gebracht. Hier ist nun alles reizvolle Charakteristik, bei welcher der Humor nur die Rolle des glän-
zenden italienischen Sonnenscheins übernimmt, der alles in seinen goldenen Schimmer taucht, denn Komisches
ist kaum in den Situationen. Es liegt nur in der echt südlichen Naivität der Geschilderten, mit der sie allen
Impulsen ohne weiteres gehorchen. In früheren, das römische Leben schildernden Bildern des Meisters trifft
man indes auch drollige Motive. So in der durch schöne Sünden geängstigten „Beichtenden" und dem „kate-
chisierenden jungen Geistlichen", dessen Zöglinge sich so gründlich langweilen.

Wer aber könnte vollends Defregger nennen hören, ohne an die „Brüder", den „Ball auf der Alm",
das „Preispferd", den „Salontiroler", die „Brautwerbung", den „Antritt zum Tanze" zu denken? Hat außer
Menzel keiner unserer Humoristen einen so bestimmten lokalen Boden, so ist auch keiner drollig liebenswürdiger.
In der erquicklichen Harmlosigkeit, der Herzenswärme, dem Wohlwollen stehen Defregger und Passini unüber-
troffen da, während ihnen Menzel und Knaus an Schärfe vielleicht überlegen sind. Defregger, dessen Schaffen
ganz in die Periode nach 1870 fällt, ist denn auch in seiner naiven Art der beste Ausdruck der Befriedigung
dieser neu angebrochenen Zeit geworden, wo nach der Erfüllung der nationalen Wünsche die Klassengegensätze
ihre Schärfe verloren haben und wo die Stammeseigentümlichkeiten nur noch Stoff zu heiterem Scherz bieten.

Darüber aber kann kein Zweifel bleiben, daß, wo vortreffliche Meister auch Düsseldorf, Berlin und
Wien zählen, München noch immer die erste Stelle unter den deutschen Kunststätten in Bezug auf den Humor
einnimmt. Denn noch habe ich weder die Humoristen unter den Ornamentiken:, wie Rudolf Seitz und Barth,
noch die unter den Bildhauern, wie Maison, vor allem aber die große Schar der Sittenschilderer und eigent-
lichen Karikaturisten nicht erwähnt, die in den „Fliegenden Blättern" buchstäblich die ganze Welt ergötzen.
Oder wer hätte nie über den geistvollsten derselben, den unvergleichlichen Oberländer, oder über Harburger.

Studie von Anton Braitk
 
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