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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Paul, Richard: Karl Baumeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0074

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50

Aarl Baumeister

endlichen
Veröffentlich-
ung erblicken. Der
allerdings der Zahl nach
imposanten Mehrheit der-
jenigen aber, welche in dieser
Publikation einen geradezu fri-
volen Eingriff in die Hoheitsrechte
der gerade am Ruder befindlichen
Moderichtung erblicken, muß gleich
von vornherein deutlichste bemerkt
werden: der in Rede stehende Stil, wie
er sich nicht scheut, vor den Richterstuhl
einer unbestechlichen und unerbittlichen Nach-
welt hinzutreten, kann sich gar durch nichts zum
Verzicht veranlaßt fühlen, gegenüber den rat-
los hin- und herschwankenden Tagesmeinnngen
seine Grundsätze — wenn sich, wie an dieser
Stelle einmal, die Gelegenheit bietet — ganzun-

legentlich
des Todes
Steinles, der Be-
sprechung der nachge-
lassenen Werke Führichs und
der Recension der Kollmann-
schen Anatomie schon geschehen
ist. Jene dort bereits erörterten
Grundsätze sind aber nicht etwa „von
Cornelius erfunden", sondern seit den
ersten künstlerischen Versuchen an von
allen Meistern aller Zeiten und Nationen
ausgeübt worden und, wie die Bilder heute
zeigen, richten sich auch jetzt noch einige
wenige darnach, die sie für jene kommende, das
Erhabene, Große und Ernste wieder ver-
stehende Zeit rettend aufbewahren. Warum
gegenwärtig diese Grundsätze so überaus un-
beliebt sind, ist in jenen Aufsätzen auch

geniert und, mißfalle es wem es wolle, mit Nus drr legende des schon andeutend erörtert. Man muß nämlich,
dem der Suche gebührenden Nachdrucke zu bl- Christoxhorus hg man bei ihrer Anwendung mit Faseln und
vertreten, wie das in diesen Blättern ge- von n. B--»mc,,icr ^mikern nicht auskommt, recht viel und
gründlich lernen, weshalb die geistige Impotenz und die Denk- und Urteilsfaulheit nichts von ihnen wissen
will. Daß aber die Vertreter dieser Zunft mehr als jemals ins Kraut geschossen und die Länder überwuchert,
wer wollte das leugnen? Wird ja doch der Boden für das Fortkommen dieser Gewächse nach jeder Richtung
hin präpariert und gedüngt. Um hier eine beiläufige Erklärung des Gesagten anzufügen, so wird man in den letzten
Jahren belehrt, daß man in der Weltmitte Paris endlich nach unendlichen geistigen Kämpfen und unergründ-
lichen Forschungen in Dichtung und bildender Kunst jetzt die Wahrheit und die Natur gefunden, es demnach
Sache eines jeden sein muß, der auf der Höhe sein will, mit allen alten Vorurteilen aufzuräumen. Das nicht
blos Häßliche mehr, nein, das Abscheuliche ist jetzt allein das Darstellungswürdige, die geistesödeste Langweile
tiefsinnig, der Idiotismus die wahre Naivität. Natürlicherweise entsprechen die Leistungen dem aufgestellten
Programm so vollkommen, und sind so stichhaltig, daß sie in der nächsten Stunde schon von dem nächstbest-
auftauchenden Wahnwitz verdrängt werden und für ewig vergessen sind. „Siehe, die Füße derer, die deinen
Mann begraben, stehen vor der Thür; auch dich werden sie hinaustragen." Apostelgesch. 5, 9. Wer aber einen
ordentlichen Vers dichten, einen Arm und eine Falte richtig zeichnen kann, der wird durch den wüstesten Lärm
solchen Getriebes die Ruhe seiner Werkstätte sich nicht stören lassen und unbeirrt weiter arbeiten.

Aber wird nicht gerade in der Malerei heute so viel gearbeitet, daß es eine wahre Freude ist? Davon
sind nicht allein die Ausstellungen, lokale und internationale, unverwerfliche Zeugen, sondern auch die Kunst-
händler wissen davon ein recht langes Lied zu singen. Die sind sogar jetzt davon innigst durchdrungen, daß
vielmehr produziert wird, als sie und andere gute Leute gebrauchen können. Wenn die Masse den Ausschlag
gäbe, wäre das gegenwärtige Zeitalter wohl das kunstpflegendste der Weltgeschichte; weder in Athen noch in
Florenz und Rom hat man je eine solche Menge Maler beisammen gesehen, als z. Z. in München allein
sitzen. Aber wer von diesen darf sich eines wirklich positiven Könnens rühmen? Die Probe kann ja zu
deiner eignen Prüfung und Erbauung, lieber Leser, sofort gemacht werden. Vorausgesetzt, daß du nicht ein
„Anfänger", von dem das zu Lösende unbedingt zu fordern ist, bevor er noch die Akademie betritt, sondern ein
womöglich recht berühmter „Aufhörer" bist, sei so liebenswürdig, versuche die Gewänder der hier bildlich vorge-
führten Arbeiten des Künstlers — nicht etwa in ähnlich großartigem Stile zu erfinden, gottbewahre, — nein,
nur recht hübsch genau und verständlich und so einfach schön nachzuzeichnen, wie sie der Meister um die Gestalten
gelegt. Was meinst du wohl, dem „das fade Zeug, das von Zeit zu Zeit immer einigen Kartonfexen und
Kunstschwätzern zuliebe aufgewärmt werden muß", nicht abgeschmackt genug vorkommt, — nicht wie dein Versuch
 
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