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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Lang, Heinrich: Der Tag nach der Schlacht bei Sedan: aus den Erinnerungen eines Schlachtenbummlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0098

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69

Kapikulaiionsvrrhandlungrn vor dem Thorr von Ded-rn. von Heinrich Lang

Der Tag nach der Schlacht bei Sedan

Aus den Erinnerungen eines Schlachtenbummlers
von Heinrich Lang*)

.... Ich bummelte
gegen Petit Torcy (so nennt
sich die erwähnte hübsche
Avenue zwischen Frenois
und der Festung). Auf
der Chaussee gings natür-
lich lebhaft hin und her;
Reiter und Fuhrwerke, Sol-
daten und hie und da auch
Zivilisten, gefangene Fran-
zosen und jubelnde Deutsche
— so kam ich zum Bahn-
hof, dessen zierliche grüne
Holzbarriere ganz zu-
sammengerissen herumlag.
In den Feldern und Gär-
ten biwakierte eine Ab-
teilung vom 5. Infanterie-
Aus y. Längs Skizzenbuch Regiment und auch das

5. Jägerbataillon; auf
und neben der Straße, wo man sich offenbar um den
Bahnhofübergang gerauft hatte, traf man auch noch
auf einzelne Gefallene. Dicht an der erwähnten Barriere
lag ein hübsches Zigarrenpseifchen aus Meerschaum,
welches ich aufhob; es gehörte sicher einem Lands-
mann (bei den Franzosen ist es nicht cllic), der es
vielleicht vermißte. Dabei streifte meine Hand am

Gatter hinunter über etwas feuchtes, klebriges, es war
Gehirnmasse! Blutspuren waren ja ohnehin überall. Ein
Jäger, der mir in den Weg kam und dem ich auf gut
Glück die Zigarrenspitze zeigte, da doch sein Bataillon
zuvörderst hier gekämpft, erkannte es sofort als Eigentum
seines Leutnants, dem gerade hier eine Kugel durch den
Kopf gefahren; da hatte ich gleich meine Erklärung für
alles. Ja, ja. die Nerven!

Derselbe Mann erzählte mir auch von dem harten
Stande, den sie. im gestrigen Gefecht gehabt, als sie die
kleinen Häuser alle besetzt und gegen die Franzosen,
welche Geschütze von dem ganz nahen Thor aus in Aktion
gebracht, tapfer gehalten hätten. Ich betrat eines der
ziemlich demolierten Häuser, und gleich gings wieder ans
die Nerven los. In einem Zimmer des ersten Stockwerkes
waren die Spuren des Gefechtes so bestimmt, daß ich
dasselbe so genau erzählen kann, als wäre ich dabei ge-
wesen. Die Jäger hatten sich, wie bei einem Scheiben-
schießen, ihre Munition re. auf einem Kamin, auf Pfeiler-
tischchen, Sesseln u. s. w. zurecht gelegt, mit ihren Tor-
nistern, Sopha- und Fensterkissen, Schemeln w. die Fenster
soweit verbarrikadiert, daß sie kznasi als Schießscharten
gelten konnten, und sich nun auf Stühlen und Tabourets
jeder einen förmlichen Schießstand eingerichtet. Aber trotz
Weinflaschen und Speckschwarten war es kein gemütliches
„Schießets", denn eine ganz schwere Granate war ober-
halb der clleniinee durch die leichte Wand hereingesahren

*) Die von uns schon wiederholt angekündigten Kriegserinnerungen des Schlachtenmalers Heinrich Lang sind soeben gesammelt bei der Berlagsanstalt
Bruckmann erschienen. Ter elegante Großoktavband (Preis 3Vs M.) ist ein treffliches Festgeschenk, besonders für ehemalige Kombattanten.
 
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