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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Rutari, A.: Ein Freund der Jugend
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0209

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Lin Freund der Jugend, von A. Rutari

,57


Illustration von Dskar pletsch aus
„Unser lsausgärtchen"

Verlag von A. Dürr in Leipzig

es die milden Züge des Künstlers, die den Sechszehn-
jährigen mehr entzückten, wer kann es sagen? Unter
dieses Künstlers Leitung sich ansbilden zn dürfen, das
ward jedenfalls sein Herzenswunsch, und kühn stellte sich
Pletsch mit einer großen Mappe voll Kom-
positionen und all' seinen Skizzenbüchern Bende-
mann vor, der damals gerade in Berlin weilte.

Der Empfang war ein beglückender.: Pletsch
durfte dem Meister nach Dresden folgen.

Wohlan er durfte — aber konnte er?

In seiner Herzensfreude hatte er ganz der be-
schränkten Verhältnisse vergessen, die daheim
herrschten und sicher nicht gestatteten, daß der
eine Sohn seinen vier Geschwistern durch beson-
dere Unterstützung vorgezogen wurde. In dem
Augenblick, da alle seine Hoffnungen wie Seifen-
blasen zu zerplatzen drohten, stellte sich Hilfe
in der Person eines wohlwollenden Freundes
ein, des Predigers Seidig, der dem jungen
Kunstschüler ein Stipendium für drei Jahre
aussetzte.

Wir sehen Oskar Pletsch unter verständiger
Leitung heranreifen, im Verkehr mit gleichge-
sinnten Genossen, denen damals schöngeistige
Fragen so am Herzen lagen wie der heutigen
akademischen Jugend Kostümbälle und Sommer-
feste, sich bilden und schließlich in Ludwig
Richter einen Meister finden, der ihn vor allen
anregen und fördern mußte. Was noch in
seiner Seele schlummerte oder in seinen Adern
tobte und nach dem richtigen Ausdruck rang,
hier erschloß es sich ihm: ein bewußtes Sich-
halten in der goldenen Mitte zwischen Kunst
und Natur, sinnvolle Einfältigkeit, echt deutsches
Gemüt.

Bald kommt die Zeit, wo es gilt, die
erworbenen Fähigkeiten zu verwerten. Das
Stipendium ist abgelaufen, die militärische Dienst-

zeit verlangt neue Ausgaben. Der Preis einer Konkurrenz
für die Illustrierung der Bibel hilft über alle diese
Klippen hinweg, ja, scheint den Mut des jungen Künstlers
so zu heben, daß er es wagt, sein eigenes Heim zu
gründen. Aus Dresden führt er die Gattin nach Berlin,
voll der besten Hoffnungen rückt das junge Paar in sein
kleines Hauswesen ein. Über die äußersten Sorgen Hilst
Zeichenunterricht hinweg — die Frau des Ministers von
Massow war eine seiner ersten Schülerinnen — dann
finden sich auch wieder Aufträge zu künstlerischem Schaffen.
Es entstehen die mustergiltigen Illustrationen zu den
Schwab'schen Volksbüchern, jene Blättchen zu den Schild-
bürgern, Jung-Siegfried, den poetischen Gestalten For-
tuna's, welche einen köstlichen Humor atmen.

Aber alles dies war nicht neu. Gewiß, er zeichnete
hübsch, seine Ideen waren allerliebst, aber doch keineswegs
epochemachend; Pletsch war noch nicht — Pletsch. Jene
Ideen, die seinen Namen in alle Welt hinaustragen
sollten, schlummerten noch. Aber sie sollten einst erwachen:
'an dem nämlichen Tage, an welchem in dem bescheidenen
Stübchen neben seiner Werkstatt sein erstes Kind zum
Leben erwachte.

Aus dem Glück des Gatten und Vaters keimte
die Meisterschaft des Künstlers. Werkstatt und Kinder-
stube, Künstler und Mensch verschmolzen in Eines; von
seinem beobachtenden Blick aufgefangen, verflüchtigten sich
die lieblich-idyllischen Szenen der Kinderstube nicht,
sondern wanderten aus der einen glücklichen Familie
hinaus in den Kreis von tausend und abertausend anderen.

Illustration von Dskar pletsch aus „Lin Gang durchs Dörfchen"

Verlag von A. Dürr in Leipzig

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