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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Rutari, A.: Ein Freund der Jugend
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0210

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Lin Freund der Jugend, von A. Rutari

Diese ersten Blättchen, die ausersehen waren, den Ruhm
ihres Schöpfers zu verkündigen, hatte dieser ursprüng-
lich gar nicht zur Veröffentlichung bestimmt; in den
Stunden seligsten Glückes geschaffen, sollten sie ein Ge-
heimnis des Skizzenbuches bleiben. Da kam die Mobil-
machung von 1859, die auch Pietsch zu den Fahnen
rief und sein junges Glück zu zerstören drohte. Bittend
wandte er sich an das deutsche Kronprinzenpaar, das
auch vor kurzem mit dem ersten Kinde beschenkt worden
war, und sandte als fürsprechende Gabe die Sammlung

feiner Blätter ein. Konnte auch sein Wunsch nicht er-
füllt werden, so wurde doch die Widmung freundlichst
angenommen, und nun fand sich leicht ein Verleger. So
erschien „Die Kinderstube".

Wir möchten das anmutige Werk nicht zerpflücken,
indem wir hier auf Einzelheiten besonders aufmerksam
machen. Genug, es ist ein Buch, wie es in dieser Art
vorher keiner veröffentlicht hatte und auch nachher keiner
— außer Oskar Pletsch selbst. Aus den Bildern, aus
den Unterschriften, die teils in kurzen Berschen, teils in
Prosa die Erklärung zu ersteren abgeben, spricht zu uns
die Sprache des Kindes. Wie Andersens Märchen, so
üben auch diese Bücher auf Groß und Klein den näm-
lichen tiefen Eindruck aus, nicht nur weil wir Erwachsenen
bei ihrem Anblick der eigenen Jugend gedenken, sondern

weil sie uns neue Schönheiten entdecken, die dem naiven
Kindesauge verborgen geblieben. Mit raschem Blick er-
kannte denn auch das Publikum, daß sich hier ein echtes
Talent offenbare, dessen holder, kindlicher Phantasie es
gegeben, das Jugendleben in der Fülle seiner heiteren
und traurigen Momente zur künstlerischen Erscheinung zu
bringen. So blieb der Beifall nicht aus, und angespornt
durch die Gunstbezeugungen des Publikums wie der
Kritik schuf der fleißige Künstler Buch auf Buch: „Gute
Freundschaft", „Springinsfeld", „Spielgefährten", „Wie's
im Hause geht — nach dem Alphabet"
und wie sie sonst heißen mögen. In
jedem von ihnen begegnen wir der-
selben Meisterschaft, deren größtes Ge-
heimnis Humor, deutsches Gemüt und
ein kindlich unbefangenes Herz ist,
darin, daß Pletsch nie des Effekts
halber komponierte, sondern treu und
einfach dem Leben nachschuf, liegt seine
Bedeutung als Künstler; darin, daß
er nie seinem Griffel auch nur den
leisesten Anklang an sinnliche Koketterie
gestattete, der Zauberschlüssel, der ihm
die Thüren aller Kinderstuben, die
Herzen aller Mütter öffnete. Das
mag auch der Grund sein, warum
sich seine Bücher keinen Eingang in
Frankreich zu erobern vermochten,
während ssie fast in alle übrigen
Kultursprachen übertragen worden sind
und durch die Nachfrage in England
und Amerika Auslage um Auflage
erlebten.

Aus einigen der oben angeführ-
ten Werke bringen wir gleichzeitig
Abbildungen, und es wird den
Leser freuen, am Anfang dieses Auf-
satzes das wohlgelungene Porträt des
Künstlers nach einer erst kürzlich
erfolgten Aufnahme zu finden. Für
eines seiner Bücher hatte Pletsch einen
kongenialen Mitarbeiter gefunden; als
er nämlich Rudolf Reichenaus unver-
gleichliches Buch „Aus unseren vier
Wänden", das auf ein paar hundert
Seiten eine Fülle echter Poesie birgt,
als illustrierte Prachtausgabe heraus-
geben durfte. Dieses Werk ist denn
auch in mehr als zehnfacher Auflage erschienen und immer
wieder vergriffen worden. (Verlag von Fr. Wilh. Grunow
in Leipzig.)

Wir schilderten nicht das Leben eines deutschen
Künstlers, wenn wir mit diesem freundlichen Ausklang
schließen wollten. Wohl zog der Ruhm in unseres
Meisters Haus ein, aber sein Triumphwagen war nicht,
um eines geistreichen Schriftstellers Ausdruck zu gebrauchen,
von — Goldfüchsen gezogen. Was nützte es ihm, daß
seine Bücher in Auflagen von zehntansenden von Exem-
plaren in falle Welt gingen, daß man seine Bilder in
spanischen, englischen, italienischen, russischen, holländischen
Ausgaben verbreitete, daß ihm glückliche Mütter in heißen
Dankesbriefen für seine Werke lohnten und Kinder aus
dem armseligsten deutschen Dorf so gut wie aus Texas an

Illustration von Gskar Pletsch aus „wie's im Pause geht

Verlag von A. Dürr in Leipzig
 
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