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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Die Wiener Internationale Jubiläums-Kunstausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0245

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>8e

Die N)iener Internationale Iubiläums-Kunstausstellung. l)on Ikarl von Dincenti

des Meisters Hand gewesen ist. ^ Wer des sernern em-
pfände nicht ebenso lebhaft die Abwesenheit irgend einer
jener Makartschöpfungen, welche für den strahlenden
Aufgang des vielvergötterten, vielverlästerten und ach, so
theueren Meisters unwiderlegliche Zeugenschaft abgeben
würde? Weder die Kostümpuppe der Frau v. Teschen-
berg, das schwächste Bildnis von seinem Pinsel, noch die
beiden „Schwestern", wenn auch ein reizvolles Atelier-
genrebild von pikant koloristischer Mache, noch endlich
das köstlich empfundene Mediceerbildchen aus der ver-
sprengten Bühlmeyer-Galerie, so interessant es auch au sich
als seltene Probe Makart'scher Fein- und Kleinmalerei
sein mag, vermögen uns vor das Auge zu führen, was
uns Makart gewesen und was wir an ihm unwiederbring-
lich verloren. Und doch hätte gerade bei diesem Künstler
ein überzeugendes Werk notgethan, wäre es nur gewesen,
weil es seit dem Tode des Adlers hie und da Mode
geworden, daß die Sperlinge auf den Dachrinnen zwitschern,
jener mächtige Sonnenvogel sei eigentlich nur ein farbiger
Spatz gewesen. Und Feuerbach! Der arme, schwer-
mütige Anselm, welchen! bei uns so manche unverdiente
Gegnerschaft geworden! Wird der Kenner und Bewun-
derer der Feuerbach'schen edlen, tiefgestimmten Kunst aus
der Schack'schen Bilderschatzkammer m diesem, wenn auch
schönen, klaren Kopfe der „Römerin" seinen Fcuerbach
voll wiedererkennen?

Die „vierzig Jahre Malerei in Österreich", welche die
historische Bilderschan darstellen soll, dürfen natürlich auch
zeitlich nicht so strenge genommen werden. Wenn einer-
seits vor 1848 verstorbene Künstler ausgeschlossen blieben,
und somit weder Danhauser, noch Fendi vorhanden sind,
so mußte man anderseits froh sein, Bilder aus dem
Vormärz zu nehmen, wenn sie nur überzeugend waren
für die Kunst des betreffenden Künstlers! So finden wir
von Führich das berühmte Belvederebitd „Der Gang
Mariens über das Gebirge" aus der Blütezeit des Meisters
(1841) und dann aus jeiner koloristischen Zeit den edel-
bewegten „Gang zum Ölberge", überraschend tief und
harmonisch in der Farbe, welchem mit lobenswerter Auf-
richtigkeit der so farbcndürftige „Rudolf von Habsburg"
gegenübe^gehängt wurde, der aus des Meisters Alters-
tagen stammt, wo Führich sich mit nazaremscher Keuschheit
immer strenger von dem sinnlichen Elemente der Farbe
abwandte, bis sein Pinsel gänzlich zum Kohlenstift ein-
trocknete. Führich schließt sich sein Genosse in der frommen
Monumentalmalerei, Kupelwieser an, dessen groß-
wirkender „Moses" vorhanden ist. Auch die späteren
Vertreter der Akademie, welche wir in der Ausstellung
finden, Rüben und Karl von Blaas, stehen unter
nazarenischem Einfluß, dieser mit seiner „heil. Katharina",
jener mit der „Hussitenschlacht". Die Rahlschule, deren
Bedeutung für die vaterländische Malerei eine so große
gewesen, ist in der Historie nur durch das „Urteil des
Paris" vom Meister selbst und zwei Deckenkompositionen
des früh Heimgegangenen Bitterlich, des mildesten, an-
mutigsten Rahlianers vertreten. Allerdings sind die be-
deutendsten unter ihnen heute noch am Werk. „Unsere"
Slaven vertritt der einzige Jaroslaw Czermak mit
zwei Bildern, dem auf der Prager Brücke bettelnden
protestantischen Dichter Lomnitzky von Bndetsch und der
dunkeläugigen Montenegrinerin mit ihrem Vater (aus fürstlich
Czartoryski'schem Besitz); das letztgenannte Motiv stammt
aus des Künstlers reifster Zeit, aus der „montenegrinischen",

wo er seinen französisch geschulten Pinsel fast ausschließlich
dem malerischen, wiidtapferen Kriegsvölkchcn der schwarzen
Berge zugewendet hatte. Canon endlich zeigt sich als
Monumentalmaler in dem großen symbolischen Gemälde
der Loge Johannis, als feiner Stilist in dem Wilczek'schen
Altarbilde.

Im Bildnis folgen sich der Zeit nach Amerling,
Karl Mayer, Schrvtzberg, Aigner, Canon. Das
Amcrling'sche Porträt des Kaisers als Knabe geht anfangs
der vierziger Jahre zurück, das Bildnis eines bekannten
Wiener Knnslschriststellers ist Canons letzte Thal auf diesem
Gebiete, wo der Unvergeßliche seine größten Erfolge gefunden.
Die Amcrling'schcn Profilköpfe des ungarischen Historikers
Majlath mii Familie, Thorwaldsen und Grillparzer,
Bildnisse von hohem künstlerischem Werte, thun in über-
zeugender Weise die Vortragsweise des ehemaligen Groß-
meisters der Wiener Porträtmalerci dar. Auch Schrotzbergs
Weise, jene glatte, durchsichtige, modeschöne und doch in-
dividuelle Mache wird durch ein weibliches Bildnis ge-
nügend illustriert. Aigners Selbstporträt mit dem
theatralischen Air und den unheimlich „interessanten" Augen
erinnert uns daran, daß dieser Künstler, der eine Zeit
lang bei Rahl hospitiert hatte, als „Augemnalcr" Ruf
hatte. Im verflossenen Jahre nahm er sich das Leben;
Scelenforscher um jeden Preis hätten vielleicht seinerzeit
aus diesen Angen, die Aigner sich gemalt, sein künftiges
Geschick hcrauSgelesen. Das Genre beginnt bei Wald-
müller und reicht bis Kuntz, jenem ausgezeichneten
Angeli-Schülcr, der zuerst Bildhauer gewesen und vor
neun Jahren gestorben ist.

Dazwischen liegen Ranftl, Herb st Hofer mit seinen
dramatisch bewegten Motiven, der jüngere Rassalt
(Pußta- und Zigeunerbildcr), Kurzbauer (Der abgc-
wicsene Freier), LipinSki (Krakauer Marktbild), Canon
mit seinem monumentalem Genre (Waffenhändler,
Odaliskc). Was ließe sich über die lebensvolle Knust
Waldmüllers, welcher ein so ansprechender Zug innerer
Harmonie gegeben war, Neues sagen? Ebenso ist über
Canon als Gcnrcmaler alles gesagt worden. Weiteren
Kreisen weniger bekannt dürften dagegen die beiden Kuntz-
schen beredten Bilder „Dvkumentendieb" und „Geheim-
sekretär" sein. Auf dem Erstgenannten scheu wir einen
jungen Mann mit verstörten Zuge», der ein Kästchen mit
Schriflschaften unter dem Arme, den Dolch in der Rechten
aus einem Gemache herausstürzt, an dessen Schwelle ein
toter Lakai hingestreckt liegt. Die Situation ist die
denkbar klarste: der unberufene Störer ist stumm gemacht
und jetzt nur fort! Der „Geheimsekretär" ist ein junger
Mönch, der eben die Antwort auf einen Liebesbrief
schreibt, welchen die braune hübsche Dirne, die ihm in
die Feder schaut, erhalten hat. Hat er entsagt, bleibt
sein Blut kühl dabei, oder wallt eS doch leise auf? Das
fragt man sich und bleibt in das Bildchen versunken.

Die Landschaft reicht von Marko bis Zimmermann.
Welch' tiefe, ideatgestimmteNaturseele spricht aus Markos
zaubervollen Landschaften von so schöner Klarheit in Ton
und Komposition! Leider sind die schönsten nicht vor-
handen. Thomas En der, der Nachfolger des heute
total vergessenen Mößmer, Franz Steinfeld und Albert
Zimmer mann sind die Führer unserer drei Landschafts-
schulen der letzten vierzig Jahre gewesen. Alle drei sind
lehrreich, der gewaltige Zimmermann mit seinem Ge-
wittersturm im Hochgebirge, am imposantesten vertreten.
 
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