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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Die Wiener Internationale Jubiläums-Kunstausstellung, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0277

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2,2

Die Wiener Internationale Iubiläums-Annstausstellung

heraus modelliert, das Ganze fast wie ein Gemisch aus
Ölbild und Gipsrelief. Aber wie schwer ist's, ein solches
Gesicht so zu malen, daß es so weit mehr ist, als schön!
Diese Augen wird man nimmer los.

Deutschland, Österreich und Ungarn steuern dazu eine
erkleckliche Anzahl Bildnistreffer bei; Italien und Belgien
sind nur mit je einem Porträt (letzteres mit dem be-
kannten General van der Smissen von Abry) vertreten,
während die Spanier und Skandinavier gar kein Bildnis

Venezianisches Mädchen, von Lugen von Bla

aufzuweisen haben. Ein halb hundert Porträts teilen sich
Deutschland und Österreich genau zur Hälfte, wobei die
Deutschen — allerdings zumeist mit Bildnissen aus Galerie-
besitz — das künstlerische Übergewicht behaupten. Wenn
eS gestattet wäre, möchte ich wohl zum genrehaften
Arrangement der beiden in ihrer geistigen Vertiefung der
Köpfe so unzweifelhaft meisterhaften Knaus'schen Bild-
nisse Mommsens und Helmholtzs einige Bemerkungen
machen, aber ich ziehe es vor, die Exzellenzen Schräders
(keine geringere als Leopold von Ranke) und Sch eure n-
bergs bis auf den letzten Orden anzuerkennen. Auch
die bildnishafte Behandlung, welche die Berliner spe-
ziell ihren Damenporträts angedeihen lasten, wäre
nicht allemal nach meinem Geschmack, aber anstatt

einer vielleicht unliebsamen Äußerung darüber, will ich
gerne Gussows Brustbild der in reifsten Backfischkreisen
sattsam bekannten Sportromandichterin Lola Kürschner (Ossip
Schubin) für einen höchst intereressanten Fortschritt in des
Künstlers Porträtisten-Auftreten erklären. Und das ist es
in der That, feingestimmt, primaflüßig — was selten bei

einem Berliner Bildmaler, — gemalt und doch nicht ge-

leckt, durchaus überzeugend. Bei Kennern erregt denn
auch die bleiche, nichts weniger als sofort anmutende
Dame „Schwarz in Schwarz" mit den zwei
nixenkühleu, hellgrangrünen Augen, die weit-
offen den Beschauer austarren, fast so viel
Interesse wie die zauberhafte Miß Herkomcrs.
Um bei den Berlinern zu bleiben, seien

Werners Selbstbildnis als eine Perle der
Ausstellung einfach genannt, der feinen
Diplomatengestalt, welche Graf Harrach
in Kabinetsrat von dem Knesebeck bietet,
Paulsens geistvoll charakterisiertem Porträt
des Reichsgerichtspräsidcnten Sinison volle

Anerkennung gezollt, vortreffliche Bildnisse
von Dielitz und dem Gussow-Schüler Encke
dem allgemeinen Interesse empfohlen.

München steht im Vordertreffen mit
Lenbach und F. A. v. Kaulbach. Das
Bismarckbildnis (aus der neuen Pinakothek,
Abb. s. S. 219) mit dem historisch gewordenen
Schlapphut ist eine glänzende Probe jener rätsel-
haften Porträttcchnik, mit der Lenbach eine so
geistig zwingende Allgcmeinwirkung erzielt;
dieser „Kopf" ist für sich allein eine Mouu-
mentalhistorie. Historicnhaft wirkt auch das
lebensgroße, überraschend gesund und energisch
gemalte Bildnis des Priuzregentcn von Bayern
(Hubertusrittcr), welches Fritz Kaulbach zu hoher
Ehre gereicht; minder glücklich ist dieser Künstler
mit seiner Baronin Todcsco (Kniestück), einer
zweiten, aber nicht gerade verbesserten Auflage
der „Lautenschlägerin" ins eiugestanden Bild-
nishafte übergetragen.

Unsere Wiener Porträtisten haben unter
einer erklecklichen Anzahl von Bildnissen nur
wenige Primanummern geliefert, obwohl an-
erkannt werden muß, daß keine Nummer ohne
Verdienst ist. Angeli hat die Führung
mit vier Bildnissen, zwei weiblichen (Gräfin
Zichy-Rederu und Frau von Marx), dem Por-
trät Andreas Achenbachs (mit Pinsel und Pa-
lette) und einem eigenen Knaben. Vielleicht
stoße ich auf Widerspruch, aber das zweitgenannte weibliche
Porträt (Kniestück) scheint mir das gelungenste, was
der berühmte Wiener Bildnismaler seit Jahren gemalt
hat. Der Kopf ist scharf im Profil mit wunderbarer
Klarheit und feinster Empfindung für die Lokalfarbe aus
der Mialtafel herausgehoben, das Chaudronsamtkleid mit
dem großblumigen Devant koloristisch mit seltenem Ge-
schmack behandelt. Felix bietet nobel gehaltene Staats-
bildnisse (Schmerling, Graf Trautmannsdorff), Stauffer,
der beste Schüler Canons nnd dessen Nachstreber, eine
Dame im Reitkleid und ein sehr liebenswürdiges Brust-
bild der lieblichen Gräfin Wilczek; der Böcklinschüler
Pidoll ein vornehm behandeltes Repräsentationsporträt
(Maltesergroßmeister Ceschi im Habit); im übrigen ver-
 
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