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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Norden, J.: Etwas von russischer Kunst und ihren Vertretern, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0283

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Etwas von russischer Aniist und ihren Vertretern, von I. Norden

2,7

Auf der Promenade, von Giacomo Favretto

nntergehen iverden die schönen Keime, die mittlerweile aufgeschossen sind. Unser kulturhistorisches Leben steht
ja in einer Phase gährender Regeneration. Es ist eine Übergangszeit und wie immer in solchen Zeiten ge-
deihen eine ins Fratzenhafte verzerrte Satyre und ein trostloser Pessimismus als nächste Früchte des Kampfes
zwischen dem Alten und Neuen in allzu unerfreulicher Weise; aber nicht von Dauer sind sie: das beweisen
u. a. auch gerade die „Wanderausstellungen" dieses und des vorigen Jahres.

Schon jetzt macht sich ein sehr erhebliches Schwinden des Gährnngsprozesses bemerkbar; immer weniger
Blasen werden aufgeworfen, immer klarer und Heller wird der Charakter der russischen Kunst, als eine freie,
selbständige, eigenartige, technisch ungeheuere Fortschritte machende und immer erfreulichere Motive wählende.
Eine Gefahr liegt für die Allerjüngsten freilich auch noch in dem verhängnisvoll bestrickenden Einfluß, den der
Pariser Jmpressionalismns auf sie ansübt, aber viele von ihnen haben sich auch schon durch ihn hindurch-
gearbeitet. Das gilt namentlich von den Landschaftern und Marinemalern, unter denen wir einer
ganzen Reihe von Männern begegnen, deren Werke jeder europäischen Kunstschule zur Zierde gereichen würden.
Sie, die früher hauptsächlich in den Fußtapfen eines Calame einerseits, Oswald Achenbachs andererseits wan-
delten, zeigen jetzt auch schon eine ganz eigenartige Physiognomie, fortlaufend immer wieder zu der größesten
und unerschöpflichsten Lehrmeisterin, der Natur znrückkehrend, wiewohl es nicht Allen gleich gelingt, die empfan-
genen Eindrücke stets künstlerisch vollendet zu einem Bild zu gestalten, sondern manche über ein einfach natu-
ralistisches Abschreiben der Natur nicht hinwegkommen. Sie verwechseln — ähnlich wie die Franzosen —
breite und flotte Malweise oft genug mit dem Skizzenhaften und liefern Studien, prächtig gemalte Studien,
wo man Gemälde erwarten durfte. Daneben begegnen wir auch hie und da allzngroben Effekten oder flüch-
tiger Technik: die „Stimmung" soll Alles ersetzen.

Und doch — wie viel Erfreuliches auch bei Allen. Einige muß ich hier namhaft

machen: so Professor Bogoljubow, einen unserer wenigen Marinemaler, so I. Schischkin,
den Maler unserer nordischen Nadelholzwälder, der auch ein vortrefflicher Aquafortist ist; E. Wolkow,
den Packenden Koloristen mit seinen Stimmungsbildern aus allen Jahreszeiten; Professor Wl. Orlowski,
den Rhapsoden des Schwarzen Meeres und gleichzeitig den Sänger in Farben der Schönheit süd-
russischer Steppen und Buchenwälder; Prof. I. Klever, der wie Keiner vor ihm den eigentümlichen Reiz
nordischer Frühlings- und Herbst- und Winterpoesie auf die Leinwand zu zaubern weiß; Rufin Ssud-
kpwski, der der bedeutendste Marinemaler Rußlands geworden wäre, hätte ihm der Tod nicht in der Blüte
der Jahre den fruchtbaren Pinsel aus der Hand gerissen; und ferner M. P. Klo dt und Lagorio, die den
Hauptnachdruck auf brillante Technik legen, und Pros. M esch tsch erski, hier einst der Hauptvertreter der
Calame'schen Richtung, der durch schöne Zeichnung besticht, und Prof. Ed. DÜcker, den uns leider Deutsch-
land geraubt hat, der aber in seinen Motiven und durch seine Beteiligung an den Petersburger Ausstellungen
dem Heimatlande treu geblieben ist; und eine ganze Menge hoffnungsvoller jüngerer Talente, die alle dem
ewig anregenden und mächtig wirkendem Einflüsse der Natur sich hinzugeben, als das einzig Richtige erkannt
 
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