Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

DOI Artikel:
Kaden, Woldemar: Aus den Gefilden von Sybaris
DOI Artikel:
Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Vom Kunstmarkt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0387

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Auf den Gefilden von Sybaris. von !v olde mar Kaden — Personal- und Ateliernachrichten

Zv-t

betitelten. So wollte man das neue Reich recht augen-
fällig vor der ärmeren Heimat auszeichncn.

Die geistige Erbschaft der Mutter konnten sie
nicht verleugnen, aber ihr Luxus ward orientalisch. An
dem Luxus, an seinem Übermut ging Sybaris zu Grunde
und in Sybaris starb Groß-Griechcnland dahin.

Nur zu rasch kam der finstere Tag, der die Königin
in den Staub warf. Das Jnbclgcschrei verstummt; die
Rosen der bacchischen Orgien liegen verwelkt am Boden,
die Lorbeeren verflattcrn in alle Winde. Auf dcni Forum,
auf den Mauern und Wällen ertönt das Klirren der
Waffen, das Rusen der Streiter. Das verweichlichte
Sybaris ermannt sich, cs gilt einen starken Feind zu
überwältigen, einen unerbittlichen, denn er ist der alte
Rival der vornehmen Stadt. Kroton, das Haupt eines
starken Städtebundes, flankiert von dem rauhen Sparta,
hat die Vernichtung der ihm verhaßten Nachbarstadt sich
vorgenommen.

Siebenzig Tage lang liegen die Krotoniaten vor den
Mauern von Sybaris, siebenzig Tage lang ringen die
da drinnen mit dem Hunger und der Verzweiflung, aber
mannhaft kämpfend. Dann werden die Thore gebrochen,
dann dringen die Unerbittlichen in die Stadt, schlachten
Hunoerttausende erbarmungslos dahin und beginnen das
roheste Vernichtungswerk. Die Dämme des Sybaris und
Krathis werden eingerissen und das schmutzige Gcbirgs-
wasser ergießt sich durch die offenen Thore und Mauer-
breschen in die blutstarrenden Straßen, über die Plätze,
steigt die Tempelstufen hinan in die Wohnungen der
Götter hinein, steigt den Säulen und Statuen bis zum
Hals, über die Köpfe hinaus, wäscht das Bruderblut
von den Zinnen, spült die Leichen ins Meer und löscht
dann auch den Namen der Stadt aus.

Die Sage geht, daß die griechischen Völker drüben
in Olympia zu festfrohen Friedensspielen versammelt,
mitten in die Gesänge hinein, den Aufschrei der sterbenden
Stadt vernommen; und die Milesier, da ihnen Kunde
ward von dem Üntcrgnuge des ihnen gastbefreundeten
Sybaris, schoren sich die Häupter und legten Trauer-
kleider an. Auch die Kunst mußte in Trauer gehen:
ihrer Hauptaltäre einer war gebrochen worden.

Wohl hätten die Kämpfe der hinsinkenden Sybaris
einen homerischen Sang verdient, aber nichts als den
leeren Namen trugen die paar tausend aus der unglück-
lichen Stadt geflohenen und nach einem Asyl umher-
irrenden Männer in die Fremde.

Und als die fast gleichzeitig gegründete, zur Welt-
herrschaft emporstrebende Stadt am Tiber sich entfaltet
hatte und auf der Höhe seiner Macht stand, erschien
der Glanz der Magna Graecia der Welt schon wie eine
Sage, und von ihren Städten und Bewohnern erzählte
man den Kindern lustige Märchen.

„Es war einmal . . .

Auch von Rom heißt es heute: „Es war einmal";
auch Rom ist untergegangen. Barbarenhände brachen
seine Mauern, Barbarenhände beraubten die am Boden
liegende Stück für Stück ihres Schmuckes, streuten die
Asche in alle Winde und ließen nur die marmornen
Trümmer ihres Sarkophages zurück, Trümmer, welche
dennoch Jahrhunderte schon von tausenden von Händen
als Mosaik eines großartigen Bildes, das noch immer
nicht vollendet ist, gesammelt und zusammengesetzt wurden.

Wie anders der Untergang von Sybaris! Ein un-
gebrochener, noch nicht abgelebter und schaffensmüder
Leib, im vollen Schmucke seines Lebenstages ging es in
seine Gruft, wurde es, wie Alarich im Nachbarslusse des
Krathis, in ganzer Rüstung niit allen seinen Schätzen in
dem abgeleiteten Flnßbette tief auf schlammigem Grunde
beigesetzt. Dort liegt es, acht Meter tief, auch nenn,
denn jeder Frühling, wenn der Schnee auf der Sila
schmilzt und die Wasser des Crati und Coscilc, des
Lattarico, Mucone und Regina schwellen und Schutt und
Geröll aus den Bergen der Brnttier in die Meeres-
niedcrung führen, drückt cs tiefer in den Boden hinein.

Dieser Feind war aber auch sein Schutz vierund-
zwanzig Jahrhunderte laug; wie die Dornenhecke die
schlafende Königstochter, hat er cs behütet vor räuberischen
Eingriffen schatzgicriger späterer Geschlechter, wie die Lava-
asche des Vesuvs ihr Pompeji achtzchnhundert Jahre
lang treu gedeckt hat.

Und wurde, wie gesagt, schon durch die Aufdeckung
Pompejis der Kunst und Wissenschaft ein so großer
Dienst geleistet (und Pompeji war eine Landstadt dritten,
vierten Ranges), so müßte der Gewinn bei den Aus-
grabungen auf den Gefilden von Sybaris (der Haupt-
stadt von Groß-Griechenland, der reichsten und vor-
nehmsten Stadt des fünften Jahrhunderts, einer Stadt,
an der das werdende Griechenland sich inspirierte) Schätze
zu tage fördern, deren Bedeutung wir heute nicht ein-
mal ahne».

Dieses Werk nach allen Seiten hin anzuregen, es
durch Wort und Schrift kräftig zu fördern, ist die hei-
lige Pflicht aller, denen das Ideal des Schönen noch
nicht durch den Ranch und Staub unserer hastigen Zeit
erstickt worden ist.

Personal- und Nkelirrnachrichken

O Potsdam. Wenige Tage vor dem Ableben Kaiser
Friedrichs sollte Professor von Angelt aus Wien in Pots-
dam eintresfen, um einen der letzten Wünsche des großen
Toten, sich im Krönnngsmantel mit den Kroninsignien gemalt
zu sehen, zu erfüllen. Der Tod hat diesem Gemälde ein vor-
zeitiges Ziel gesetzt. Anton von Werner hat sogleich nach
dem Hinscheiden eine Zeichnung des Verstorbenen gesertigt.

O Posen. Rcgierungsrat vr. Osius und Geh. Nat
vr. Jordan in Berlin wurden zu Ehrenmitgliedern des Kunst-
vereinS ernannt, ersterer als Gründer und letzterer als Förderer
der Bestrebungen des Vereins.

O Halle a. S. Prof. Spangenberg ist mit der
Fertigstellung des viertelt Wandgemäldes in der hiesigen Uni-
versität beschäftigt, es allegorisiert die Philolologie bezw. Philo-
sophie. In den drei vorhergehenden Jahren sind die Darstel-
lungeil der „Theologie", der „Medizin" und der „Rechtswissenschaft"
beendet worden.

— Der dänische Maler Laurids Tuxen hat im Aufträge
der Königin Viktoria zum Gedächtnis ihres Regierungsjubiläums
ein Gruppenbild der englischen Königsfamilie gefertigt, aus
welchem besonders das Porträt der deutschen Kaiserin vorzüglich
getroffen sein soll.

— Budapest. Julius Benczur ist zur Zeit mit einem
Porträt des Kronprinzen Rudolf beschäftigt, das denselben in
Kavallerie-Generalsuniform lebensgroß darstellt und für das
ungarische Adelskasino als Gegenstück zu dem Angelischen Bildnis
des Prinzen von Wales bestimmt ist.

O Wien. Der Kaiser hat bei Schluß der Jubiläums-
Kunstausstellung dem Vorstande der Genossenschaft der bildenden
Künstler Wiens, Oberbaurat Friedrich Freiherrn von Schmidt,
sowie dem Kasseverwalter der genannten Genossenschaft, Groß-
händler Eduard Ritter von Kanitz, seine Anerkennung aus-
 
Annotationen