Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Die Münchener Ausstellungen von 1888, [6]: die Malerei der übrigen Nationen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0437

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3H2

Die Münchener Ausstellungen von ^bü8. Die Malerei der übrigen Nationen. II. Ungarn

einen solchen barbarischen Zug? Die Welt ist eben noch nie mit Handschuhen beherrscht worden. Man findet ähnliches,
verbunden mit einer tüchtigen Portion Schlauheit, selbst bei Tisza, den der ehemalige Piloty-Schüler Benczur
mit ungewöhnlicher Energie dargestellt hat, wie einen Grafen Nadasdy. Weit feiner und aristokratischer ist
das Bild einer blassen alten Dame von Horwitz, ein Meisterstück von Charakteristik, da man bei der ein
Gebetbuch in der Hand haltenden, ganz in Schwarz gekleideten, die Spnren einstiger großer Schönheit, aber
auch schwerer Leiden zeigenden Dame nicht nur den Adel der Geburt, sondern auch den des ganzen Wesens
deutlich ausgeprägt findet. Auch ein männliches Porträt desselben Künstlers ist hervorragend und Vastaghs
junge Dame im Freien gibt uns wenigstens das resolute Wesen einer jungen, hübschen Ungarin nicht ohne

Reiz wieder. Dagegen gelingt es einem,
trotz der prächtig Uesen Färbung, viel
schwerer, sich für das Bild Liszts von
Munkacsy zu begeistern, da der
Künstler das Vornehme Liszts in Natur
nicht verstanden, sondern einen alten
Komödianten aus ihm gemacht hat, der
sich jetzt gerade in der Rolle eines
Landpfarrers gefällt. Hier war Lenbach
weit glücklicher. Auch bei dem großen
Stillleben, das der Künstler „Das Un-
heil der Politik zur Zeit Oliver Crom-
wells" betitelt, und wo man in einem
köstlich wie von einem alten Spanier
gemalten Gemach einen „Rundkopf"
sieht, der im Streit eben einen jungen
„Kavalier" erstochen und nun ratlos
dasteht, offenbar nicht wissend, was er
anfangen solle, weiß es leider der Be-
schauer ebensowenig und kann sich nur
an der köstlich unheimlichen Stimmung
des Ganzen erfreuen. — Dennoch muß
man sagen, daß Munkacsy — alias
Lieb — schon deswegen der erste Künstler
seines Landes bleibt, weil er das un-
garische Wesen zuerst und schärfer aus-
prägte, als irgend ein andrer, obwohl
er selber väterlicherseits deutscher Ab-
stammung ist. Weit erfreulicher sind
denn auch die Bilder, wo der derbe
Humor der Ungarn in der Schilderung
ihrer eignen Landsleute durchbricht,
weil da der mangelnde Idealismus
wie der melancholische Zug dieser Ma-
lerei nicht störend wirkt. So bei Bi-
tz aris „Vor dem Dorfrichter", wo ein
Zigeunermusikant die Geige zeigt, die
ihm wahrscheinlich am Kopf zerschlagen
ward, und seine Kollegen ihn begleiten,
während der Richter und sein Schreiber
nur niit Blühe ihre Amtswürde bei dem mehr komischen als gefährlichen Handel aufrecht erhalten. Da
ist aber die Charakteristik der Musikanten ebenso drollig als die des Richters und der Zeugen. Noch
feiner durchgeführt ist der „Brautwerber" von demselben voll köstlichen Humors. Auch Paul Böhm, seit
Jahren in München wohnend, bringt eine im Freien lagernde Zigeunerfamilie, Hollosy einen „Toast in
der Csarda", eine Kneipszene voll Lebendigkeit, v. Baditz einen Abschied, Jovanowits, wie die beiden vorigen
und noch viele andre in München, schildert dann packend die Blutrache bei den Serben, Roskovits ein köst-
liches Liebespaar, das sich bei der Feldarbeit an Wassermelonen erfrischt. Peske gibt ein Frühstück mit derbem
Humor, während Koloman Deri nur zu bunt eine Räuberbande schildert, welche eben die Nachricht erhält,
daß „die Panduren" (Gendarmerie) kommen und zu den Waffen greift. Ebner endlich malt dann mit viel
Feinheit einen Geflügelmarkt. In all diesen Schilderungen eines halbwilden, aber ganz malerischen Lebens ist

Ave Maria, von Julius Scholtz

Münchener Iubil.-Ausstellnng
 
Annotationen